Normenkette

§ 48 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

(Das BayObLG widerspricht hier dem KG Berlin)

1.Ein Privatgutachter hatte auftrags der Gemeinschaft zwei Fassadensanierungsvarianten vorgeschlagen: eine teure, jedoch technisch und wirtschaftlich vernünftige Totalsanierung und zum anderen eine wesentlich billigere Ausbesserungssanierung (2,15 Mio. DM : 1,41 Mio DM).

Die Eigentümermehrheit entschied sich auf Empfehlung des Privatgutachters für die teure Alternative. Von 2 Eigentümern wurde der Beschluss angefochten und ist noch in I. Instanz rechtshängig (gerichtliche Begutachtung).

2.Die I. und II. Instanz (Geschäftswertbeschwerde) haben im Sinne der bisher wohl h. R. M. den Geschäftswert des Beschlussanfechtungsverfahrens gemäß der beschlossenen Sanierung in Höhe von DM 2,15 Mio. angesetzt (erhöht auch noch um andere Werte aufgrund weiterer angefochtener Beschlüsse).

Der 3. Zivilsenat des BayObLG musste zu dieser Frage eine grundsätzliche Entscheidung treffen, und zwar insbesondere in Auseinandersetzung mit der bereits vielfach zitierten und vereinzelt auch schon von Untergerichten übernommenen Entscheidung des KG Berlin vom 11. 9. 1987 (WE 6/87, 198 = WEZ 1/88, 63 = NJW-RR 1988, 14 mit abl. Anm. von Schmid in ZMR 1988, 366). Das Kammergericht hatte bekanntlich bei ähnlich liegender Problematik auf den 5-fach-Wert des wirtschaftlichen Eigeninteresses eines anfechtenden Antragstellers abgestellt. Das BayObLG hat sich dieser Meinung des Kammergerichts nicht angeschlossen, nach welcher der Geschäftswert in dieser Weise zu begrenzen sei, wenn die volle Anwendung des § 48 Abs. 2 WEG zu einer unerträglichen Kostenbelastung führen würde, die jeden vernünftig denkenden Beteiligten schon aus wirtschaftlichen Gründen von einer Rechtsverfolgung abhalten müsste. Zugegebenermaßen sei zwar der Ausgangspunkt des KG richtig, dass der Zugang zu den Gerichten allen Bürgern auf möglichst gleichmäßige Weise eröffnet werden müsse (BVerfGE 74, 228/234). Eine schematische Begrenzung des Geschäftswertes auf das 5-fache des Einzelinteresses könne hier allerdings keine Abhilfe schaffen. Diverse Fragen seien in der Entscheidung des KG unklar geblieben (große Wohnungseigentümergemeinschaft? Unerträgliche Kostenbelastung als Einzelfallprüfung? Warum gerade ein 5-fach-Wert als Obergrenze ohne Rücksicht auf die Interessen der übrigen Beteiligten?).

Bei Richtigkeit der Entscheidung des KG würden auch mutwillige Anfechtungen begünstigt (vielleicht durch einen Miteigentümer mit sehr geringem Miteigentumsanteil), für die das vom Bundesverfassungsgericht herausgestellte Gebot des gleichmäßigen Zugangs zu den Gerichten nicht gelte. Abzustellen sei nach Gesetz ( § 48 Abs. 2 WEG) auf das Interesse allerBeteiligten an der Entscheidung ohne gesetzlich vorgenommene Einschränkungen. Es muss nicht unbillig sein, wenn ein Eigentümer in großen Gemeinschaften (mit starker Gemeinschaftsbindung) Kostenrisiken ausgesetzt ist. Eine starre Wertgrenze würde auch das gesamte System der Ausrichtung der Kosten nach dem tatsächlichen Wert des Verfahrens infrage stellen.

Im vorliegenden Fall könne nach Meinung des BayObLG insbesondere auch auf den Rechtsgedanken des § 23 UWG abgestellt werden (Abwägung der Beteiligteninteressen in verfassungskonformer Auslegung des § 48 Abs. 2 WEG, d. h. in Ausnahmefällen Ermäßigung des vollen Geschäftswertes auf einen Betrag, der das Interesse aller Beteiligten zwar nicht voll, aber angemessen berücksichtigt). Dabei müsse in Kauf genommen werden, dass sich Geschäftswert und Kostenrisiko in solchen Ausnahmefällen schwer abschätzen ließen.

3.Wird nun nach Meinung des BayObLG ein Eigentümerbeschluss über eine konkrete Maßnahme angefochten, ist (nach wie vor) deren Wert in voller Höhe anzusetzen. Wird jedoch in der Anfechtung beanstandet, dass eine als notwendig anerkannte Reparatur lediglich mit zu hohem Kostenaufwand durchgeführt werden solle, obwohl sie auch mit geringerem Aufwand erledigt werden könnte, bestimmt sich das Interesse der Beteiligten auch bei uneingeschränkter Anfechtung des Gesamtbeschlusses nicht nach dem Gesamtvolumen der beschlossenen Maßnahme und auch nicht nach einer etwaigen Verteuerung der Sanierung durch eine zeitliche Verzögerung, sondern nach der Differenz der beiden in Betracht kommenden Maßnahmen; diese Differenz ist dann als konkrete Einzelbeanstandung in voller Höhe anzusetzen. Vorliegend ist deshalb aufgrund der Anfechtungsbegründung ein Differenzwert von DM 740.000,- (DM 2,15 Mio. minus DM 1,41 Mio.) als Geschäftswert anzusetzen. Das Interesse der Antragsteller, die vorgeschlagene billigere Sanierungsvariante noch günstiger als privatgutachtlich in Vorschlag gebracht durchzuführen, kann durch eine Erhöhung dieser Differenz berücksichtigt werden.

4. Nachdem auch über die anderen angefochtenen Beschlusspunkte noch eine detaillierte Wertermittlung zu erfolgen hat, wurde die Sache vom BayObLG zur anderweitigen Behandlung und neuen Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 20.10.1988...

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