Die Lohntransparenz beginnt schon beim arbeitssuchenden Bewerber. Nach Art. 5 hat schon der Stellenbewerber das Recht, vom künftigen Arbeitgeber das Einstiegsentgelt oder dessen Spanne sowie ggf. einschlägige zur Anwendung kommende Tarifbestimmungen zu erfahren. Diese Informationen sind so frühzeitig bereitzustellen, etwa schon in der Stellenausschreibung, dass fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden.

Im deutschen Recht ist eine solche Verpflichtung bisher nicht vorgesehen. Fraglich ist, ob die frühzeitige Bereitstellung durch den bloßen Verweis auf bestehende, oft aber nicht öffentlich einsehbare Tarifwerke ausreicht, oder ob diese offengelegt werden müssten. Und müssten nicht tarifgebundene Arbeitgeber ihre Entgeltsystematik, soweit überhaupt vorhanden, dem Bewerber und damit faktisch dem Wettbewerb gegenüber offenlegen? Der Erwägungsgrund 21 formuliert ausdrücklich, dass der Begriff des Entgelts nicht nur das Grundgehalt, sondern auch ergänzende und variable Bestandteile (beispielsweise Boni, Überstundenausgleich, Fahrvergünstigungen, Verpflegungszuschüsse) umfasst.

Entgegen der verbreiteten Praxis, den Bewerber nach seinem bisherigen Einkommen zu fragen, sieht die Richtlinie nun das Verbot einer solchen Frage vor (vgl. Art. 5 Abs. 3).

Der deutsche Gesetzgeber wird hier Geheimhaltungsinteressen des Unternehmers an seiner Vergütungsstruktur (Grundgehalt, Bonussysteme) und das Transparenzgebot der Richtlinie in einen abgewogenen Einklang bringen müssen.

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