(1) Informations- und Auskunftspflichten (Art. 6, 7)

Arbeitgeber sind nach Art. 6 der Richtlinie verpflichtet, ihren Beschäftigten Informationen darüber, welche Kriterien für die Festlegung ihres Entgelts, der Entgelthöhe und der Entgeltentwicklung verwendet werden, zur Verfügung zu stellen. Flankiert wird diese Arbeitgeberpflicht durch im Vergleich zum bisherigen deutschen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) erweiterte Auskunftsrechte der Beschäftigten. Diese werden das Recht haben, Auskunft über ihr individuelles Einkommen und über die durchschnittlichen Einkommen zu verlangen – aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Dieses Recht wird für alle Arbeitnehmer unabhängig von der Größe des Unternehmens bestehen. Anders als das bisherige deutsche Recht wird hier nicht auf den Median abgestellt, sondern auf den Durchschnitt der Entgelthöhen. Damit können Arbeitnehmer in Erfahrung bringen, wie sie im durchschnittlichen Vergleich entlohnt werden und bei kleiner Vergleichsgruppe das konkrete Gehalt der Kollegen ermitteln. Nach Art. 7 Abs. 3 müssen Arbeitgeber alle Arbeitnehmer jährlich über ihr Recht, Auskünfte zu verlangen und das Prozedere der Antragsstellung aktiv informieren.

(2) Berichtspflichten (Art. 9)

Ab einer Unternehmensgröße von mindestens 100 Beschäftigten sieht Art. 9 eine Berichtspflicht des Arbeitgebers zum innerbetrieblichen geschlechtsspezifischen Lohngefälle vor, wobei die Richtlinie hier in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsfristen bis 2031 vorsieht.

(3) Aktive Pflicht zur Herstellung von Entgeltgerechtigkeit (Art. 10)

Ergibt die Entgeltberichterstattung ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von mindestens 5 % und kann der Arbeitgeber das Gefälle nicht anhand objektiver geschlechtsneutraler Faktoren rechtfertigen, muss er in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern (Betriebsrat) eine Entgeltbewertung vornehmen und Maßnahmen entwickeln, um diese Entgeltunterschiede zu beseitigen.

Die Richtlinie an sich dürfte nicht die Schaffung eines neuen Mitbestimmungsrechts zwingend fordern, allerdings ist abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber nicht in Übererfüllung der Anforderungen die zwingenden Mitbestimmungstatbestände des § 87 BetrVG erweitert. Anknüpfungspunkt kann hier § 87 Nr. 10 BetrVG sein, wonach Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitbestimmungspflichtig ist. Entlohnungsgrundsätze sind die übergeordneten allgemeinen Vorschriften, nach denen die gesamte Entlohnung für den Betrieb geordnet wird; damit sind alle Strukturformen des Entgelts einschließlich deren näherer Vollziehungsformen erfasst. Die Entlohnungsmethode beschreibt das Verfahren, d. h. die Art und Weise, in der die zwischen den Betriebsparteien ausgehandelten Entlohnungsgrundsätze ausgeführt werden sollen. Dabei geht es um die Ermittlung des Arbeitswertes, also die Feststellung des Schwierigkeitsgrades einer Arbeit, von dem die Zuordnung einer bestimmten Arbeit zu einer Entgeltgruppe abhängt. Nicht unter den Mitbestimmungstatbestand fällt die Entscheidung über die Lohn- und Gehaltshöhe, welche vom Arbeitgeber selbst oder den Tarifparteien bestimmt wird.

Hinsichtlich zukünftiger Arbeitsvertragsgestaltungen wird auch Art. 7 Abs. 5 zu beachten sein, wonach Arbeitnehmer nicht daran gehindert werden dürfen, ihr Gehalt offenzulegen.

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