OFD Frankfurt, Verfügung v. 30.5.2016, S 2770 A - 55 - St 51
Zu diversen Anwendungsfragen in Zusammenhang mit der sog. „kleinen Organschaftsreform„ nehme ich wie folgt Stellung:
1. Anwendung des § 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 4 KStG
1.1 Allgemeines
Soweit die Handelsbilanz fehlerhafte Bilanzansätze enthält, die nach den handelsrechtlichen Grundsätzen eine Korrektur der Handelsbilanz erfordern, gilt der Gewinnabführungsvertrag unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 3. Satz 4 KStG als tatsächlich durchgeführt.
Das BMF hat in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Vereinfachungen zur Organschaft insbesondere dazu dienen sollen, die Möglichkeit zu eröffnen, im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete fehlerhafte Bilanzansätze, die auf die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags durchschlagen, sowie formelle Fehler des Gewinnabführungsvertrags künftig nachträglich zu korrigieren, so dass sie nicht mehr unweigerlich zu einem Wegfall der steuerlichen Organschaft führen. Ein Steuerpflichtiger hat danach immer die Möglichkeit, durch eine Korrektur – auch in laufender Rechnung – die steuerliche Anerkennung der Organschaft abzusichern.
Liegt ein entsprechender Fehler vor, bitte ich die Beanstandung schriftlich vorzunehmen und dabei ausdrücklich auf § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 und 5 KStG hinzuweisen. Nach außen hin muss für den Steuerpflichtigen jedenfalls eine abschließende Willensbildung des Finanzamts erkennbar sein (z.B. im Rahmen eines Bp-Berichts).
1.2 Fehlerhafter Bilanzansatz, Anknüpfung an den subjektiven Fehlerbegriff und Korrekturpflicht
Ein fehlerhafter Bilanzansatz i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 1. Halbsatz KStG ist zunächst jegliche Art von Fehler, unabhängig davon, ob dieser gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) verstößt oder nicht.
Bei der Beurteilung, ob überhaupt ein Fehler vorliegt, kommt es auf die objektive Betrachtungsweise an, da darauf abgestellt wird, ob die Handelsbilanz der Organgesellschaft das objektiv zutreffende Ergebnis ausweist.
Davon zu unterscheiden ist die Anwendung der Durchführungsfiktion des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG.
Um diese anwenden zu können, ist der subjektive Fehlerbegriff zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b KStG. Dieser besagt, dass für die Fehlerbeurteilung ein wirksam festgestellter handelsrechtlicher Jahresabschluss (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. a KStG), dessen Fehlerhaftigkeit bei der Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen, maßgebend ist.
Weiterhin ist die Korrekturpflicht des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 Buchst. c KStG zu erfüllen. Die Korrektur kann dabei in der Mehrzahl der Fälle in laufender Rechnung erfolgen, d.h. der fehlerhafte Abschluss muss nicht durch einen fehlerfreien ersetzt werden. Die gesetzlich vorgesehene zeitnahe Korrektur der fehlerhaften Bilanzansätze in der Handelsbilanz ist daher in der Regel nicht problematisch.
Zur Beurteilung, ob eine Korrekturpflicht in laufender Rechnung bzw. die Pflicht zur Rückwärtsberichtigung der Handelsbilanz besteht, ist es in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, die Kriterien der IDW RS HFA 6 (IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Änderung von Jahres- und Konzernabschlüssen) als Anhaltspunkte heranzuziehen.
Besteht Streit darüber, ob ein Fehler vorliegt, der zu einer Korrektur der Handelsbilanz zwingt, trägt der Steuerpflichtige das Risiko des Ausgangs eines Rechtsstreits.
Sofern ein Streitfall vorliegt, z.B. weil der Abschlussprüfer die Auffassung der Finanzverwaltung ausnahmsweise als so falsch empfindet, dass er eine Korrektur nicht befürworten möchte, kann dem Bestätigungsvermerk des Jahresabschlussprüfers keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Wäre dies grundsätzlich der Fall, könnten zu keiner Zeit fehlerhafte Bilanzansätze beanstandet werden. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG würde in einem Umfang eingeschränkt werden, der dem Zweck der Regelung nicht entspricht. Die Arbeitshilfe der OFD Karlsruhe zur Verfügung vom 16.1.2014, S 2770/52/2-St 221 steht dieser Aussage nicht entgegen. Sie bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Beurteilung des Wirtschaftsprüfers in der Mehrzahl der Fälle, in denen eine Korrektur der Handelsbilanz in Rede steht, gefolgt werden kann. Es ergibt sich hieraus keine Bindungswirkung.
Ein fehlerhafter Bilanzansatz ist auch bei anderen Verstößen gegen gesellschaftsrechtliche Regelungen anzunehmen, insbesondere
- bei dem unterbliebenen Ausgleich vororganschaftlicher Verluste,
- bei der Nichtbeachtung handelsrechtlicher Abführungssperren, auch wegen der Nichtbildung gesetzlich vorgeschriebener Rücklagen,
- bei der unzulässigen Abführung vororganschaftlicher Gewinn- oder Kap-Rücklagen bei einer nicht eingegliederten Organgesellschaft,
- bei der unzulässigen Abführung einer in organschaftlicher Zeit gebildeten und aufgelösten Kapitalr...