LfSt Bayern v. 26.9.2013, S 0130.2.1 - 105/1 St 42
Ergänzend zu dem BMF-Schreiben vom 14.12.2010, BStBl 2010 I S. 1430 , AO-Handbuch 2013 Anhang 45) wird folgendes mitgeteilt:
Das Gewerbeuntersagungsverfahren dient primär dem Schutz des Geschäftsverkehrs und nur mittelbar der Besteuerung. Die Finanzämter regen es gemäß dem o.g. BMF-Schreiben bei Vorliegen der Voraussetzungen an. Sie prüfen dabei in eigener Verantwortung, ob ein zwingendes öffentliches Interesse i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO die Durchbrechung des Steuergeheimnisses rechtfertigt.
Auch Rückstände, die noch nicht bestandskräftig festgesetzte Steuern betreffen, können das zwingende öffentliche Interesse i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO rechtfertigen. Die Finanzämter müssen, bevor sie durch das Steuergeheimnis geschützte Tatsachen weitergeben, eine Vorbeurteilung durchführen, ob es sich um Tatsachen handelt, aus denen sich eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden i.S. des § 35 Abs. 1 GewO ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 10.2.1987, VII R 77/84, BStBl 1987 II S. 545 und BFH-Urteil vom 29.7.2003, VII R 43/02, BStBl 2003 II S. 828). Nur wenn diese Vorbeurteilung zu dem Ergebnis führt, dass die Tatsachen eindeutig und von vornherein nicht geeignet sind, eine Gewerbeuntersagung zu rechtfertigen, dürfen sie nicht an die Gewerbebehörde mitgeteilt werden. Entscheidend für eine zulässige Mitteilung ist, dass Steuerrückstände bestehen, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können. Dies sind nicht gezahlte Steuern, die der Steuerschuldner nach dem Gesetz hätte zahlen müssen. Dazu gehören auch wirksam festgesetzte und fällige Steuern, die streitig sind und gegen deren Festsetzung der Steuerschuldner einen Rechtsbehelf eingelegt hat, über den noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist. Eine Mitteilung an die Gewerbebehörden ist insbesondere dann geboten, wenn die strittigen Steuerforderungen Gegenstand eines erfolglosen gerichtlichen AdV-Verfahrens waren (vgl. BFH-Urteil vom 29.7.2003, VII R 43/02, BStBl 2003 II S. 828).
Will das FA bei der Gewerbebehörde (Vorschriften für die gewerberechtlichen Maßnahmen sind in der Vollstreckungskartei Bayern im Fach Rückstandsunterbindende Maßnahmen, Gewerbe- und berufsrechtliche Maßnahmen, Karte 01 Anlage 1 abgedruckt) die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens anregen, ist der Gewerbetreibende vorab von der vorgesehenen Maßnahme zu unterrichten und darauf hinzuweisen, dass er die Einleitung des Verfahrens abwenden kann, wenn er seinen steuerlichen Pflichten nachkommt. Hierbei sollte ein Absehen von den gewerberechtlichen Maßnahmen von Auflagen abhängig gemacht werden, oder die Aufforderung ergehen, innerhalb einer bestimmten Frist einen Tilgungsplan für die Steuerrückstände vorzulegen. Für die Androhung des Antrags auf Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens steht im Ordner Zentral/Vollstreckung/Rückstandsunterbindung die Vorlage Gewerbeuntersagung Androhung zur Verfügung.
In dem Schreiben an die Gewerbebehörde (vgl. Vorlage Gewerberechtliche Maßnahmen im Ordner Zentral/Vollstreckung/Rückstandsunterbindung) müssen die steuerlichen Sachverhalte, die die Einleitung eines gewerberechtlichen Verfahrens rechtfertigen, knapp aber erschöpfend dargestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Anregung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens einen für den betroffenen Steuerpflichtigen schwerwiegenden Eingriff darstellt, ist vor der Anregung auf Durchführung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens zu überprüfen, ob das FA alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft hat. Das FA muss sich deshalb auch dazu äußern, welche Vollstreckungsmaßnahmen (auch Verfahren zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung und Zwangsgeldverfahren) ergriffen wurden, welchen Erfolg diese Maßnahmen hatten oder weshalb solche Maßnahmen von vornherein als aussichtslos angesehen wurden.
Folgende Kriterien sind dabei anzusprechen:
- Nichtentrichtung von Steuern, die mit der Ausübung des Gewerbes in Zusammenhang stehen. Bei Personensteuern, wie der Einkommensteuer besteht ein solcher Zusammenhang, soweit diese Steuern durch die gewerbliche Tätigkeit ausgelöst wurden und wenn Unzuverlässigkeit infolge wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit im Raume steht.
- Nichtabgabe der jährlichen Steuererklärungen sowie von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Lohnsteueranmeldungen
- Abgeschlossene bzw. eingeleitete steuerliche Straf- und Bußgeldverfahren
- Künftiges Verhalten
Folgende häufig vorkommende Fehler sollen dabei vermieden werden:
- Die aufgeführten Steuerrückstände beruhen zum Teil auf überhöhten Schätzungen.
- Die angegebenen Steuerrückstände entsprechen nicht mehr dem neuesten Stand.
- Nichtbetriebliche Steuerrückstände sind ohne Begründung aufgeführt.
- Gesetzliche Bestimmungen sind nicht, unvollständig oder unzutreffend wiedergegeben.
- Angaben über die Zahl der Arbeitnehmer fehlen.
Die Gewerbebehörde ist darauf hinzuweisen, dass die mitgeteilten steuerlichen Verhältnisse dem Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30 AO, § 355 StGB) unterliegen und ...