Leitsatz

Befindet sich der Schuldner mit fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von mehr als sechs Monaten im Rückstand, hat der Gläubiger den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht.

 

Sachverhalt

Eine Krankenkasse beantragte wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge für Februar bis August 2004 sowie Zwangsvollstreckungskosten, Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 7441 EUR am 20.9.2004 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Zur Glaubhaftmachung legte sie einen vollstreckbaren Auszug aus dem Heberegister vor, der die Ansprüche nach Hauptforderung, Säumniszuschlägen sowie Kosten und Gebühren aufschlüsselt. Mit Schriftsatz vom 1.10.2004 teilte sie dem Insolvenzgericht mit, der Schuldner habe eine Teilzahlung von 1152 EUR erbracht. Das AG hat den Insolvenzantrag mangels Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrunds als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Kasse war erfolgreich.

 

Entscheidung

Ist der Schuldner mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen von insgesamt mehr als sechs Monaten im Rückstand, hat der antragstellende Gläubiger den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 InsO regelmäßig im erforderlichen Umfang glaubhaft gemacht[1]. Ob es sich bei dem Antragsteller um eine öffentlich-rechtlich organisierte Krankenkasse oder um einen privaten Gläubiger handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke auf Seiten des Schuldners mehr als 10 % beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist[2]. Die Zahlungsunfähigkeit kann dabei nicht nur durch eine Liquiditätsanalyse für einen bestimmten Zeitraum, sondern auch mit Hilfe von Indizien festgestellt werden[3]. Bei Anwendung dieser Methode stellt die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ein starkes Indiz dar, das für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spricht, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit gemäß § 266a StGB bis zuletzt bedient werden[4]. Diese strafrechtliche Komponente lässt das Vorliegen einer bloßen Zahlungsunwilligkeit als unwahrscheinlich erscheinen, insbesondere bei monatelanger Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Fehlen gegenläufige Indizien, die etwa im Bestreiten der nicht erfüllten Forderungen des Sozialversicherungsträgers liegen können, reicht dieses starke Indiz für sich genommen aus, um den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Dies ist in der Phase des Eröffnungsverfahrens ausreichend.

 

Praxishinweis

Im Streitfall hatte der Schuldner nach Antragstellung zwar noch eine Teilzahlung geleistet. Eine einmal nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit wirkt aber nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich fort. Diese Wirkung kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen werden, nicht jedoch durch Leistungen an Einzelgläubiger[5].

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 13.6.2006, IX ZB 238/05

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