Leitsatz
In Ermangelung einer stichhaltigen Rechtfertigung stehen Art. 52 EWG-Vertrag (später Art. 52 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Art. 43 EG) und Art. 58 EWG-Vertrag (später Art. 58 EG-Vertrag, jetzt Art. 48 EG) der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, soweit diese im Rahmen der Bewertung nicht notierter Anteile an einer Kapitalgesellschaft unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dazu führen, dass die kapitalmäßige Beteiligung dieser Kapitalgesellschaft an einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Personengesellschaft höher bewertet wird als ihre Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft, vorausgesetzt allerdings, dass eine derartige Beteiligung ihr einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Personengesellschaft verleiht und es ihr ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen.
Normenkette
Art. 52, 58 EGV, Art. 43, 48 EG, § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 2 S. 2, § 31 BewG, § 113a BewG a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, war seit Sommer 1988 beteiligt an einer KG in Österreich sowie an einer Gesellschaft in Spanien, die einer KG entspricht. Aufgrund der DBA zwischen den beteiligten Staaten unterlagen die Beteiligungen bei der Klägerin nicht der VSt. Für Zwecke der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile der Kapitalgesellschaften auf den 31.12.1988 rechnete das FA im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens zu dem für die Klägerin festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens die Beteiligungen an den beiden KG mit einem Wert hinzu, den es ebenfalls nach den Regeln des Stuttgarter Verfahrens – also unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten – ermittelt hatte. Damit sollte dem nach § 12 Abs. 6 ErbStG maßgeblichen § 31 Abs. 1 S. 1 BewG entsprochen werden, wonach die Beteiligungen mit ihrem gemeinen Wert zu berücksichtigen waren.
Demgegenüber verlangte die Klägerin, die Beteiligungen nur mit ihrem (im Streitfall niedrigeren) Substanzwert hinzuzurechnen, da die Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften mit dem entsprechenden Anteil am Einheitswert des Betriebsvermögens für die Gesellschaften angesetzt worden wären und derartige Einheitswerte nur Substanzwerte gewesen seien.
Das FG bezweifelte, dass die Bewertung der spanischen Beteiligung europarechtskonform sei. Es hielt einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit für naheliegend. Im Verhältnis zu Österreich habe diese Grundfreiheit dagegen 1988 noch nicht gegolten. Es legte daher dem EuGH die Frage vor, ob es der Niederlassungsfreiheit widerspreche, wenn im Rahmen der Bewertung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft niedriger bewertet werde als eine Beteiligung an einer Personengesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat.
Entscheidung
Der EuGH beantwortete die Frage wie aus dem Leitsatz ersichtlich.
Hinweis
Nach der Entscheidung des EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-256/06"Jäger" (BFH/PR 2008, 167), die zur Kapitalverkehrsfreiheit ergangen ist, war zu erwarten, dass § 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 Abs. 1 BewG auch im Licht der Niederlassungsfreiheit einer europarechtlichen Prüfung nicht würde standhalten können, soweit die Bewertung mit dem gemeinen Wert zu einem höheren Wert führt, als bei vergleichbarem Inlandsvermögen anzusetzen wäre.
Die Entscheidung im vorliegenden Fall isttrotz des Wegfalls der gesonderten Feststellung des Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften sowie der gesonderten Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens für Kapital- und Personengesellschaften nach wie vor von Bedeutung, da das Problem der unterschiedlichen Bewertung der Beteiligungen an in- und ausländischen Personengesellschaften geblieben ist und sich durch die Anknüpfung des § 12 Abs. 5 ErbStG an die Steuerbilanzwerte/ertragsteuerrechtlichen Werte (§ 109 BewG) eher noch verschärft hat. Zwar ist in R 98 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2003 vorgesehen, auch bei ausländischem Betriebsvermögen auf die Steuerbilanzwerte bzw. die ertragsteuerrechtlichen Werte zurückzugreifen; dies steht aber unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass das Ergebnis nicht unangemessen sein darf. Sollte dies der Fall sein, ist eine Bewertung nach § 31 BewG durchzuführen. Das heißt mit anderen Worten, von § 31 BewG ist gerade dann Gebrauch zu machen, wenn die Wertabweichung nach oben besonders groß und damit besonders europarechtswidrig ist.
In der Sache hebt der EuGH hervor, 1. dass die Niederlassungsfreiheit nicht nur für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten gilt, sondern auch für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, 2. dass die Niederlassungsfreiheit auch das Verbot für den Herkunftsstaat enthält, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder nach seinem Recht gegründeter Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu behi...