Zusammenfassung
Deutschland ist Profiteur der globalisierten überwiegend englischsprachigen Wirtschaft. Gerichtssprache ist aber ausschließlich Deutsch. Dieser "Makel" soll nun durch die Einführung von Commercial Courts und der Zulassung von Englisch als Verfahrenssprache beseitigt werden.
Ausgangspunkt
Die Gerichtssprache in Deutschland ist Deutsch. Schriftsätze müssen daher in deutscher Sprache verfasst sein. Beweismittel können zwar in der Originalsprache vorgelegt werden. Das Gericht kann jedoch nach einer Übersetzung verlangen. Gerichtsverhandlungen werden grundsätzlich auch auf Deutsch geführt. Um einer "Flucht" von Unternehmen in andere Rechtsordnungen und Schiedsgerichtsbarkeiten entgegenzuwirken, haben seit 2010 mehrere Ober- und Landesgerichte englischsprachige Kammern in den Geschäftsverteilungsplan aufgenommen, bspw. in Hamburg, Frankfurt am Main oder zuletzt im Jahr 2021 auch Berlin. Diese Modellversuche konnten sich bislang jedoch kaum durchsetzen.
Mit zunehmendem grenzüberschreitendem Handel schreitet jedoch auch die Globalisierung des Rechtsverkehrs immer weiter voran. Es besteht daher dringender Bedarf nach einer zeitgemäßen, für internationale Akteure zugänglicheren Justiz. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung stellt die Veröffentlichung der "Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten und zur Einführung von Commercial Courts" dar. Damit stellt sich Deutschland nun auch in seinem Rechtssystem den Anforderungen an einen "Global Player". Mit den am 16.1.2023 veröffentlichten Eckpunkten werden nun erstmals Pläne zur Einführung von sog. Commercial Courts im gesamten Bundesgebiet vorgestellt. Der Justiz- und Wirtschaftsstandort Deutschland soll damit nachhaltig gestärkt und den Herausforderungen einer globalisierten Welt mit internationalem Handelsverkehr begegnet werden.
Verfahren in englischer Sprache
Die Neuerungen sehen nicht nur die Einführung der sog. Commercial Courts vor. Die Bundesländer sollen nach dem Eckpunktepapier auch vorsehen können, dass vor ausgewählten Landgerichten bestimmte Handelsstreitigkeiten vollständig in englischer Sprache geführt werden können. Auch Berufungen und Beschwerden sollen an den Oberlandesgerichten vollständig in englischer Sprache verhandelt werden können. Auch hierfür sollen eigene Senate eingerichtet werden.
Das Gerichtsverfahrensgesetz sieht bislang vor, dass Gerichtssprache Deutsch ist. Wird unter Beteiligung von Personen verhandelt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Die Hinzuziehung eines Dolmetschers kann nur dann unterbleiben, wenn sämtliche am Prozess beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig und einverstanden sind.
Bislang besteht zwar die Möglichkeit unter oben genannten Voraussetzungen eine mündliche Verhandlung auf Englisch stattfinden zu lassen. Schriftsätze, Protokoll und Entscheidungen sind jedoch zwingend in deutscher Sprache abzufassen. Es besteht keine Ausnahme. Künftig sollen nicht nur die Verhandlungen auf Englisch stattfinden können. Auch Schriftsätze können auf Englisch eingereicht werden. Dies erleichtert auch die Auseinandersetzung mit englischsprachigen Beweismitteln wie zum Beispiel Verträgen. Weder der Vertrag selbst noch die entscheidenden Passagen müssen im Schriftsatz übersetzt werden. Dies vereinfacht beispielsweise die Auslegung von vertraglichen Bestimmungen ungemein.
"Commercial Courts"
Für Wirtschaftsstreitigkeiten von großem Umfang sollen erstinstanzliche Spezialsenate bei den Oberlandesgerichten eingerichtet werden (sog. "Commercial Courts"). Diese können ab einer Streitwertschwelle von beispielsweise einer Million Euro und bei Einverständnis aller Parteien direkt adressiert werden. Dann können die Parteien das Landgericht als Instanz überspringen und direkt am Commercial Court prozessieren. Besetzt werden die Commercial Courts mit Richtern, die über sehr gute Sprachkompetenzen im Englischen verfügen. Für die Verfahren vor den Commercial Courts soll zudem die Möglichkeit der Erstellung eines Wortprotokolls eröffnet werden, wie es bereits aus der Schiedsgerichtsbarkeit bekannt ist. Dieses Wortprotokoll sollen die Parteien bereits in der Verhandlung mitlesen können.
Gegen die Entscheidung der Commercial Courts soll die Revision zum BGH eröffnet sein. Wurde das Verfahren vor einem Commercial Court in englischer Sprache geführt, soll auch in der Revision eine umfassende Verfahrensführung in englischer Sprache – im Einvernehmen mit dem zuständigen Senat des BGH – möglich sein, wenn das Verfahren vor dem Commercial Court in englischer Sprache geführt wurde.
Die Vollstreckbarkeit von englischsprachigen Entscheidungen sowohl der Landgerichte als auch der Commercial Courts und des BGH soll über Übersetzungen ins Deutsche gewährleistet werden. Um die Rechtsfortbildung zu ermöglichen, sollen die Übersetzungen auch veröffentlicht werden.
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