2.2.1 Grundsatz der Kapitalerhaltung
Der Grundsatz der Kapitalerhaltung zielt darauf ab, Zugriffe der Gesellschafter auf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der GmbH zu verhindern. Zwar kann sich kein Gläubiger der Gesellschaft darauf verlassen, dass das Gesellschaftsvermögen nicht durch unternehmerische Risiken aufgezehrt wird. Er soll aber wenigstens davon ausgehen können, dass sich nicht die Gesellschafter selbst aus dem Gesellschaftsvermögen bedienen. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung ist in § 30 GmbHG verankert. Dort heißt es klar und unmissverständlich: "Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden".
2.2.2 Keine Ausschüttungen, die eine Unterbilanz bewirken
Hat also z. B. eine Gesellschaft ein Stammkapital von 25.000 EUR, dürfen keine Ausschüttungen erfolgen, die zu einer sogenannten Unterbilanz führen oder eine bestehende Unterbilanz vergrößern. Von einer Unterbilanz spricht man, wenn das Reinvermögen der Gesellschaft geringer als die Stammkapitalziffer ist.
Berechnung der Unterbilanz
Gehören der Gesellschaft z. B. Vermögensgegenstände nach Buchwerten in Höhe von 120.000 EUR und bestehen Schulden bzw. Rückstellungen in Höhe von 100.000 EUR, hat sie lediglich ein Reinvermögen von 20.000 EUR (Vermögen: 120.000 EUR minus Schulden/Rückstellungen: 100.000 EUR = Reinvermögen: 20.000 EUR). Stellt man nunmehr die Stammkapitalziffer in Höhe von 25.000 EUR dem tatsächlich vorhandenen Gesellschaftsvermögen von 20.000 EUR gegenüber, ergibt sich eine Unterbilanz von 5.000 EUR.
In dieser Situation dürfen sich die Gesellschafter nicht aus dem Gesellschaftsvermögen bedienen, weil bereits eine Unterbilanz besteht, die durch Entnahmen sogar noch vergrößert werden würde. § 30 GmbHG verhindert also Ausschüttungen an die Gesellschafter, sofern dadurch eine Unterbilanz entsteht oder eine bestehende Unterbilanz vergrößert werden würde. Es gibt allerdings kein generelles Verbot von Ausschüttungen an die Gesellschafter. Ist also genügend "freies" Gesellschaftsvermögen vorhanden, könnten die Gesellschafter dieses an sich ausschütten, ohne dass sie damit gegen geltendes Recht verstießen.
2.2.3 Weitere Fälle verbotener Ausschüttungen
Das Recht der Kapitalerhaltung wird im Interesse des Gläubigerschutzes über bloße Auszahlungen hinaus auf weitere Sachverhalte erweitert. Verbotene Ausschüttungen an die Gesellschafter liegen nicht nur vor, wenn einseitig Vermögen aus der Gesellschaft, etwa durch Auszahlung aus der Kasse oder Abhebung vom Bankkonto, abfließt. Vielmehr sind auch alle weiteren Maßnahmen in die Betrachtung einzubeziehen, die ebenfalls per Saldo zu einer Vergrößerung oder Entstehung einer Unterbilanz führen.
Verkauf eines Dienstwagens an Gesellschafter
Verkauft z. B. die Gesellschaft an einen Gesellschafter einen Dienstwagen, der mit 10.000 EUR in den Büchern steht, zu einem Preis von 6.000 EUR, würde bilanziell betrachtet das Gesellschaftsvermögen um 4.000 EUR verringert werden. Eine verbotene Ausschüttung läge vor, wenn durch dieses Rechtsgeschäft das Stammkapital angegriffen wird.
Die Ermittlung der Unterbilanz erfolgt nach ganz überwiegender Ansicht durch bilanzielle Betrachtungsweise, auf die tatsächlichen Werte der Gegenstände kommt es grundsätzlich nicht an. Hiervon unterscheidet sich die Ermittlung der Unterbilanz von der Ermittlung der Überschuldung, welche erforderlich ist, um eine Insolvenzreife der Gesellschaft festzustellen. Die Aktiva und Passiva für die Ermittlung der Unterbilanz sind damit der letzten Bilanz zu entnehmen und auf den Tag der verbotenen Ausschüttung fortzuschreiben. Eine Unterbilanz kann auch dadurch entstehen oder verstärkt werden, dass ein Kredit an den Gesellschafter aus dem GmbH-Vermögen gewährt wird, der Rückzahlungsanspruch jedoch wegen unzureichender Kreditwürdigkeit des GmbH-Gesellschafters nicht werthaltig ist.
Doppelte Prüfpflicht der Geschäftsleitung
Eine Tiefbau-GmbH ist die Tochtergesellschaft einer großen Bau AG. Die Bau AG ist zu 70 % beteiligt. Die anderen 30 % halten Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der Tiefbau-GmbH. Mit der Tochtergesellschaft besteht kein Unternehmensvertrag. Die Mutter-AG weist an, dass die Tochter-GmbH freie Liquidität als verzinsliches Darlehen an die Muttergesellschaft gewähren soll. Der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft müsste prüfen, ob bei Gewährung des Darlehens der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist. Dafür müsste der Geschäftsführer die wirtschaftlichen Verhältnisse der Muttergesellschaft kennen. Ggf. muss er auf Sicherheiten bestehen, will er keine Unterbilanz entstehen lassen.
Der Geschäftsführer muss doppelt prüfen: Einerseits muss er bei der Tochter-GmbH beurteilen, ob dort eine Unterbilanz besteht und ob diese durch einen ungesicherten, nicht werthaltigen Rückzahlungsanspruch vergrößert werden würde, andererseits müsste der Geschäftsführer die Kreditwürdigkeit der Muttergesellschaft prüfen. Der Geschäftsführer befindet sich damit in einer schwierigen Situation. Es haftet dann in erster Linie die empfangende Muttergesellscha...