Dr. iur. Barbara Mayer, Stephanie von Riegen
Zusammenfassung
Der Gesetzgeber hat aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen vorübergehend die Beschlussfassung in der GmbH im schriftlichen Umlaufverfahren erleichtert. Das soll sicherstellen, dass die Gesellschaften trotz Infektionsschutzvorgaben aufgrund der Covid-19-Pandemie und unabhängig von den Regelungen im Gesellschaftsvertrag handlungsfähig bleiben.
Gesellschafterbeschlüsse sollen im Regelfall in Präsenzversammlungen gefasst werden, um den Meinungsaustausch zwischen den Gesellschaftern zu ermöglichen. Doch die Versammlungs- und Kontaktbeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie erschweren nach wie vor die Abhaltung physischer Gesellschafterversammlungen.
Wie können GmbH-Gesellschafter in nächster Zeit Beschlüsse fassen?
Zunächst einmal gelten wie bisher die Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Gerade neuere Gesellschaftsverträge erlauben häufig Abstimmungen im schriftlichen Verfahren, per Telefon- oder Videokonferenz oder in beliebiger Kombination. Bei älteren Gesellschaftsverträgen ist das häufig nicht der Fall. Und dennoch müssen auch hier Beschlüsse gefasst werden, damit die Gesellschaft handlungsfähig bleibt, etwa die Feststellung des Jahresabschlusses, die Zustimmung zu wichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen oder die Bestellung von Geschäftsführern. Für den Fall, dass die Satzung keine Regelung trifft, hat der Gesetzgeber vorübergehend die Möglichkeit geschaffen, auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren durchzuführen.
Bisherige Rechtslage zur Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren
Schon bisher können nach § 48 Abs. 2 GmbHG Gesellschafterbeschlüsse auch außerhalb von Versammlungen gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter 1) einem Beschlussantrag in Textform (z.B. per Post, per E-Mail oder Fax) zustimmen oder 2) jedenfalls der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren zustimmen, auch wenn der Beschluss selbst nicht einstimmig gefasst wird. Das GmbH-Recht setzt demnach voraus, dass sich sämtliche Gesellschafter mit der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren einverstanden erklären.
Gesetzgeberische Erleichterung aufgrund der COVID-19-Pandemie bis 31.12.2020
Aufgrund der gesetzlichen Erleichterungen während der COVID-19-Pandemie ist die Zustimmung aller Gesellschafter nicht mehr erforderlich. Das am 27. März 2020 verkündete "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" ("Covid-19-GesR-Gesetz") sieht vor, dass Gesellschafterbeschlüsse abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG in Textform (E-Mail, Telefax etc.) oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Einzelne Gesellschafter können demnach Mehrheitsbeschlüsse im Umlaufverfahren nicht mehr blockieren. Diese temporäre Ausnahme gilt befristet für alle Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse im Jahr 2020.
Video- und Telefonkonferenzen, gemischte Abstimmungsformen
Weitergehende Ausnahmen sieht das Covid-19-GesR-Gesetz für die GmbH nicht vor. Anders als bei Aktiengesellschaften bleiben insbesondere virtuelle Gesellschafterversammlungen bei der GmbH weiterhin Zukunftsmusik. Beschlussfassungen in Telefon- oder Videokonferenzen sind auch in Zeiten von Corona nur dann möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag dies ausdrücklich erlaubt. Auch gemischte Abstimmungsformen sind nur zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies zulässt. Ohne Grundlage im Gesellschaftsvertrag ist eine (partiell) präsenzlose Beschlussfassung, insbesondere die sog. kombinierte Beschlussfassung (Abstimmung teils in der Versammlung, teils schriftlich) nach der Rechtsprechung des BGH unzulässig und führen zur Nichtigkeit der Beschlüsse – auch bei Einverständnis aller Gesellschafter.
Praktisch lassen sich virtuelle Gesellschafterversammlungen mit Zustimmung aller Gesellschafter dadurch realisieren, dass sich die Gesellschafter zunächst in Telefon- oder Videokonferenzen über die einzelnen Beschlussgegenstände austauschen und (unmittelbar) anschließend Beschluss fassen entweder 1) im schriftlichen Umlaufverfahren oder 2) indem die Gesellschafter einen Gesellschafter bevollmächtigen, eine Gesellschafterversammlung abzuhalten und dort in ihrem Namen für sie die Stimme abzugeben. Eine solche Vollmacht kann grundsätzlich formlos erteilt werden, zu Beweiszwecken ist wenigstens Textform (z.B. per E-Mail) zu empfehlen. Teilweise schreibt auch der Gesellschaftsvertrag Text- oder Schriftform vor.
Ebenso lässt sich eine kombinierte Gesellschafterversammlung durchführen, indem die abwesenden (per Telefon oder Videokonferenz zugeschalteten) Gesellschafter einen in der Gesellschafterversammlung anwesenden Gesellschafter mit der Stimmabgabe bevollmächtigen.
Es bleibt zu hoffen, dass solche "Umgehungslösungen" künftig nicht mehr nötig sein werden – dann nämlich, wenn der Gesetzgeber die Covid-19-Regelungen auch für GmbHs ergänzt und Beschlussfassungen erleichtert.
Information der Gesellschafter: ...