Prof. Dr. Claudia Ossola-Haring
1.7.1 Engmaschiges Prüfen der Zahlungsfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, sobald die GmbH nicht (mehr) in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit wird dadurch festgestellt, dass die fälligen und ernsthaft eingeforderten sowie durchsetzbaren Geldschulden der vorhandenen Liquidität gegenübergestellt werden.
Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 7 Abs. 2 InsO). Die Zahlungsunfähigkeit ist dann nach außen in Erscheinung getreten, z. B. durch Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern oder durch Häufung von Wechselprotesten.
Zahlungsunfähigkeit liegt dagegen nicht vor, wenn die GmbH nur vorübergehend ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann, z. B. weil sich bei ihr selbst der Eingang von Außenständen verzögert hat. In einem solchen Fall spricht man von einer Zahlungsstockung. Bei Zahlungsstockung muss kein Insolvenzantrag gestellt werden.
Schwierige Abgrenzung
Es ist in der Praxis teilweise sehr schwierig, eine (noch andauernde) Zahlungsstockung von einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden, z. B. wenn Großkunden ihrerseits mit der Insolvenz zu kämpfen haben. Eine reine Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen 3 Wochen erforderlich, aber auch ausreichend (BGH, Urteil v. 24.5.2005, IX ZR 23/04).
Beträgt eine Liquiditätslücke, die nicht innerhalb von 3 Wochen zu beseitigen ist, weniger als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners, ist er regelmäßig zahlungsfähig, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
1.7.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit
Nach § 18 InsO ist es für einen GmbH-Geschäftsführer ebenfalls ein Grund, den Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen, wenn die GmbH droht, zahlungsunfähig zu werden. Das ist dann der Fall, wenn sie voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Zahlungsverpflichtungen, die sie hat, dann zu erfüllen, wenn diese fällig werden.
Zahlungsunfähigkeit droht nach der neuen Rechtslage dann, wenn die GmbH voraussichtlich innerhalb der kommenden 2 Jahre zahlungsunfähig werden wird (§ 18 Abs. 2 InsO). Das klingt nach einem langen Zeitraum, aber dies täuscht, denn es ist im Gegenteil höchste Eile geboten. Die Geschäftsführung muss dann, wenn sie ein Verfahren nach dem StaRUG anstrebt, dieses vorbereiten. Wie lange der Zeitraum für eine solche Vorbereitung ist, hängt davon ab, wie einfach oder wie komplex die Situation der GmbH ist. Wird im Rahmen dieser Vorbereitungsarbeiten festgestellt, dass die Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich innerhalb eines Jahres eintreten wird, entfällt die positive Fortbestehensprognose. Damit muss der Geschäftsführer Insolvenz beantragen. Es gibt in einem solchen Fall kein Sanierungsverfahren. Hat der Geschäftsführer schuldhaft die Sanierungsmöglichkeiten des StaRUG nicht genutzt, haftet er der GmbH persönlich. Demzufolge ist es in seinem eigenen Interesse, die Liquiditätsentwicklung der GmbH genau zu beobachten und für mindestens 24 Monate im Voraus zu planen.
Anders als bei der Antragspflicht wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ist der Geschäftsführer bei Vorliegen von drohender Zahlungsunfähigkeit zwar berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen. Dies wirft Probleme auf, wenn mehrere Geschäftsführer vorhanden sind. Grundsätzlich ist im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzantrag von sämtlichen Geschäftsführern gemeinschaftlich zu stellen (§ 18 Abs. 3 InsO). Wird der Antrag nicht von allen Geschäftsführern gemeinschaftlich gestellt, so ist er nur zulässig, wenn der oder die antragstellenden Geschäftsführer zur Vertretung berechtigt sind und der Eröffnungsgrund von ihnen glaubhaft gemacht wurde (§ 15 Abs. 2 Satz 1 InsO).
Abwehr durch Stundungsvereinbarungen
Der Geschäftsführer kann und sollte Gegenmaßnahmen ergreifen, sobald er die Gefahr einer sich abzeichnenden Illiquidität erkannt hat. So kann er beispielsweise versuchen, Gläubiger zu einer Stundung zu bewegen. Denn Stundungen beseitigen die Fälligkeit von Verbindlichkeiten. Solche Stundungsvereinbarungen können – und sollten – zuallererst mit den eigenen Gesellschaftern, die Gläubiger fälliger Forderungen gegen die GmbH sind, vereinbart werden, bevor man an "fremde" Gläubiger herangeht. Aber auch mit Mitarbeitern können Stundungsvereinbarungen, beispielsweise über einen Teil ihrer Entgeltforderungen, geschlossen werden, um die drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern.
1.7.3 Überschuldung
Überschuldung liegt vor, wenn da...