Prof. Dr. Claudia Ossola-Haring
In der Handelsbilanz sollten eigentlich die realen Werte des Unternehmens stehen. Doch in vielen GmbHs sind Bewertungskriterien bestimmend für die Eurobeträge in der Bilanz. Viele kleine und mittlere Gesellschaften machen keinen Unterschied zwischen der Handels- und der Steuerbilanz, um Kosten für die Aufstellung zu sparen. Dann enthält auch die Handelsbilanz viele steuerpolitisch bedingte Abweichungen der Bilanzwerte von den wahren Werten.
So sind z. B. im Anlagevermögen stille Reserven vorhanden, da die Maschinen, Einrichtungsgegenstände, Beteiligungen oder andere Vermögensteile möglichst schnell abgeschrieben werden, um Steuern zu sparen. Oder Forderungen enthalten Pauschalwertberichtigungen, die wiederum den Gewinn senken. Auf der Passivseite stehen Verbindlichkeiten, die mit einem möglichst hohen Wert angesetzt sind, um auf der sicheren Seite zu sein.
Die Prüfung der Schuldendeckung kann nur dann realistische Werte liefern, wenn sowohl die anzusetzenden Vermögensteile als auch die Schulden den echten Werten entsprechen. Die Beträge für den Überschuldungsstatus sind zu korrigieren, wenn es Abweichungen zum realen Wert gibt. Anpassungen der Handelsbilanz sind also notwendig. Dabei muss sowohl inhaltlich als auch wertmäßig eine Loslösung vom Handelsgesetzbuch erfolgen. Der Überschuldungsstatus hat eine vollständig andere Aufgabe als die Handelsbilanz und muss daher auch vollkommen anderen Ansprüchen gerecht werden.
3.2.1 Anlagevermögen: Korrekturen vornehmen
Im Anlagevermögen beruhen die dort angenommenen Werte für Gebäude, Maschinen, Geräte usw. auf historischen Anschaffungskosten und mehr oder weniger fiktiven Annahmen über die Dauer der Nutzung. Handelsrechtliche Gesichtspunkte, gesetzliche Ge- und Verbote müssen vom Geschäftsführer beachtet werden, wenn er das Anlagevermögen seiner GmbH bestimmt. Darum gibt es in diesem Bereich erheblichen Korrekturbedarf, wenn von den Werten in der Handelsbilanz auf Werte für den Überschuldungsstatus geschlossen werden soll.
Nicht entgeltlich erworbene Vermögensgegenstände stehen, obwohl durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz einige Wahlrechte zugelassen wurden, nicht immer oder nicht vollständig in der Handelsbilanz, können jedoch für die Gesellschaft und für Dritte einen Wert haben. Darum müssen selbst angemeldete Schutzrechte, kostenlos eingeräumte Lizenzen oder handelbare Vermögensteile, die durch Entwicklungs- und Forschungsaufwendungen entstanden sind, in den Überschuldungsstatus eingehen. Für die Liquidation wird der Wert angesetzt, der voraussichtlich beim Verkauf erzielt werden kann.
Unentgeltlich erworbene Software
Eine deutsche Software-Entwicklungs-GmbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens, entwickelt die eigenen Produkte mit einer speziellen, von der Muttergesellschaft entwickelten Software. Diese wurde der Tochter vor 5 Jahren unentgeltlich und ohne Bedingungen überlassen und dauernd weiterentwickelt. Auf dem Markt hätte dieses immaterielle Wirtschaftsgut einen Wert von 100.000 EUR. Diesen setzt der GmbH-Geschäftsführer ein, wenn er die Schuldendeckung der Gesellschaft prüft.
- Ein Firmenwert darf nicht in den Überschuldungsstatus eingeführt werden, es sei denn, die Fortführungsprognose sieht einen Verkauf des Unternehmens vor und die Verhandlungen sind schon sehr weit fortgeschritten. Notwendig ist dabei schon eine sehr sichere Voraussage des Verkaufspreises, damit der Firmenwert als Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Vermögen der Gesellschaft berechnet werden kann.
- Vermögensteile, die nur für das Unternehmen einen bestimmten Wert haben, nicht aber für Dritte, müssen für den Fall der Liquidationsprämisse aus dem Überschuldungsstatus herausgenommen werden. Das ist z. B. der Fall bei Maschinen, die speziell für das Unternehmen hergestellt wurden und nicht anders verwendet werden können. Fallen noch Entsorgungskosten an, dann müssen auch diese berücksichtigt werden. Das kann dazu führen, dass der im Status zu verwendende Wert negativ wird.
- Im Anlagevermögen stecken oft stille Reserven, die sich aus der positiven Differenz zwischen dem wahren Wert und dem Buchwert ergeben. Ist bei einer Liquidation damit zu rechnen, dass ein höherer Verkaufswert als der Buchwert zu erzielen ist, dann muss der Geschäftsführer diesen höheren Wert ansetzen. Neben Standardmaschinen und Gebäuden bietet vor allem der Fahrzeugpark stille Reserven, die gehoben werden können.
Beträge im Gebrauchtmarkt berücksichtigen
Setzen Sie in der Liquidationsvariante die Schätzung der Verkaufspreise sehr vorsichtig an. Die gezahlten Beträge im Gebrauchtmarkt sind niedriger als erwartet. Das betrifft auch die Fortführungsvariante, da diese von einer Beschaffung vergleichbarer Gegenstände ausgeht. Diese dürften auf dem Gebrauchtmarkt auch kostengünstig zu haben sein. Damit sinkt das Vermögen der Gesellschaft.
3.2.2 Umlaufvermögen: richtig bewerten
Überraschungen im Überschuldungsstatus erfährt der GmbH-Geschäftsführer in der Praxis vor allem bei der Bewertung der Vorräte: