Normenkette
ZPO §§ 89, 80
Tenor
Wird eine vollmachtlos eingelegte Berufung durch Prozeßurteil als unzulässig verworfen, weil trotz gerichtlicher Fristsetzung keine Vollmacht für den Vertreter des Rechtsmittelklägers vorgelegt worden ist, so kann dieser Mangel im Revisionsverfahren nicht rückwirkend durch eine nunmehr erteilte Prozeßvollmacht und die darin liegende Genehmigung der bisherigen Prozeßführung geheilt werden.
Tatbestand
I.
Im Ausgangsverfahren verfolgt der Kläger sein von der beklagten Bundesrepublik abgelehntes Begehren weiter, ihm politisches Asyl zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Innerhalb der Rechtsmittelfrist hat ein zuvor nicht tätig gewesener Rechtsanwalt für den Kläger Berufung eingelegt, ohne eine Vollmacht vorzulegen. Das Berufungsgericht hat ihn unter Fristsetzung zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert. Nach erfolglosem Ablauf der Frist hat es die Berufung in Anwendung des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446) durch Beschluß vom 13. Mai 1982 als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat gegen diesen Beschluß durch einen anderen, auf Grund schriftlich vorliegender Vollmacht vom 25. Juni 1982 handelnden Prozeßbevollmächtigten Revision eingelegt.
Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts möchte den angefochtenen Beschluß aufheben und die Sache an die Vorinstanz zurückverweisen, sieht sich daran jedoch durch ein Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1970 – IX ZR 282/69 = LM Nr. 3 zu § 80 Abs. 1 ZPO = MDR 1971, 483 gehindert. In diesem Urteil hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, daß eine Berufung unzulässig ist, wen der Rechtsanwalt des Rechtsmittelklägers sie ohne Ermächtigung zu dieser Prozeßhandlung eingelegt hat und auf Rüge des Gegners hin keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gibt und daß ferner dieser Mangel im Revisionsrechtszug nicht mehr behoben werden kann. Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist demgegenüber der Auffassung, daß eine stillschweigende Genehmigung der vorhergehenden Prozeßführung gemäß der nach § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozeß anwendbaren Vorschrift des § 89 Abs. 2 ZPO mit heilender Wirkung für die vorangegangene Instanz auch noch im Revisionsverfahren erfolgen kann. Er hat deshalb dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Frage vorgelegt:
Kann im Falle einer Verwerfung der Berufung durch Prozeßurteil, weil trotz gerichtlicher Fristsetzung keine Vollmacht vorgelegt worden ist (§ 67 Abs. 3 VwGO), der Mangel der nicht nachgewiesenen Vollmacht im Revisionsverfahren rückwirkend gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 89 Abs. 2 ZPO geheilt werden?
Der Gemeinsame Senat hat Stellungnahmen der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof eingeholt und den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, daß der frühere Ia-Zivilsenat und der V. Zivilsenat in nicht veröffentlichten Urteilen eine rückwirkende Heilung des Mangels der nicht nachgewiesenen Vollmacht in der Revisionsinstanz bejaht haben. Der Bundesfinanzhof hat mitgeteilt, daß die mit der Vorlagefrage befaßt gewesenen Senate diese im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts entschieden hätten. Der V. Senat des Bundesfinanzhofs halte jedoch an dieser Rechtsauffassung nicht mehr fest und schließe sich den in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1970 (a.a.O.) dargelegten Standpunkten an. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die mit dem vorlegenden Senat übereinstimmende, bisherige Rechtsprechung der nicht beteiligten Senate verwiesen. Das Bundessozialgericht hat mitgeteilt, daß der 2. und der 6. Senat die Vorlagefrage in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden hätten. Das Bundesarbeitsgericht hat erklärt, daß es die streitige Rechtsfrage bisher nicht entschieden habe und daß damit zusammenhängende Rechtsfragen nicht zur Entscheidung anstünden. Es hat auf sein Urteil vom 18. Dezember 1964 – BAG 17, 32 – hingewiesen.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat an seiner Meinung festgehalten (§ 14 RsprEinhG).
Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Vorlage ist nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) in der sich aus dem Entscheidungssatz ergebenden Fassung zulässig.
Die Rechtsfrage der Heilung des Mangels einer schriftlichen Vollmacht im Revisionsverfahren wird von den beteiligten obersten Gerichtshöfen unterschiedlich beantwortet. Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts will eine Behebung dieses Mangels stets zulassen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eine solche Möglichkeit in den Fällen verneint, in denen die Berufung von einem Rechtsanwalt vol...