Normenkette
GVG § 13; SozialgerichtsG (SGG) § 51 Abs. 1
Tenor
Für Rechtsstreitigkeiten zwischen den Anbietern des Fachhandels und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Zulässigkeit der Wiederverwendung der den Krankenkassen gehörenden Hilfsmittel und deren erneute Gebrauchsüberlassung an Leistungsberechtigte ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
Tatbestand
I. Die Klägerin, eine Allgemeine Ortskrankenkasse, versorgt die bei ihr Versicherten mit Rollstühlen unter anderem in der Weise, daß sie – ursprünglich von ihr erworbene und nach Gebrauch an sie zurückgegebene – Rollstühle durch eigene Bedienstete erneut an Versicherte, die einen entsprechenden Rollstuhl benötigen, abgibt. Die Beklagte ist die für den Kassenbezirk der Klägerin zuständige Innung für Orthopädie-Technik. Sie forderte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Dezember 1982 unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18. Dezember 1981 (BGHZ 82, 375 – Brillen-Selbstabgabestellen) auf, keine gebrauchten Rollstühle mehr an ihre Versicherten auszugeben und eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben.
Die Klägerin hat daraufhin vor dem Sozialgericht Klage erhoben und Feststellung beantragt,
daß sie weiterhin berechtigt sei, von Versicherten zurückgegebene Rollstühle an ihre Mitglieder oder deren familienhilfeberechtigte Angehörige auszugeben.
Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben; das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts, der über die Revision der Beklagten zu befinden hat, hält den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit – ebenso wie die Vorinstanzen – für gegeben, sieht sich jedoch an einer entsprechenden Entscheidung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehindert, insbesondere durch die Beschlüsse des Großen Senats für Zivilsachen vom 22. März 1976 (GSZ 1/75, BGHZ 66, 229 – Studentenversicherung und GSZ 2/75, BGHZ 67, 81 – Auto-Analyzer) sowie durch die Urteile des I. Zivilsenats vom 18. Dezember 1981 (I ZR 34/80, BGHZ 82, 375 – Brillen-Selbstabgabestellen und I ZR 116/80, unveröffentlicht) sowie vom 25. Februar 1982 (I ZR 175/79, NJW 1982, 2125 = GRUR 1982, 433 – Kinderbeiträge). Er hat daher dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Frage vorgelegt:
Ist für Rechtsstreitigkeiten zwischen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und Leistungserbringern oder ihren Verbänden andererseits über die Zulässigkeit der kostenlosen Überlassung von Hilfsmitteln durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung an ihre Mitglieder der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben?
Entscheidungsgründe
II. Die Vorlage ist zulässig (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes – RsprEinhG – vom 19. Juni 1968, BGBl. I 661).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – insbesondere nach den Urteilen des I. Zivilsenats vom 18. Dezember 1981 (a.a.O.) – ist für das auf Unterlassung der Selbstabgabe von Hilfsmitteln an Versicherte gerichtete Klagebegehren der ordentliche Rechtsweg (§ 13 GVG) und nicht die Zuständigkeit der Sozialgerichte (§ 51 Abs. 1 SGG) begründet; dies gilt nach den angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes auch dann, wenn durch ein Verbot der Selbstabgabe in eine hoheitliche Tätigkeit der Ortskrankenkassen gegenüber ihren Versicherten eingegriffen würde. Demgegenüber ist der 8. Senat des Bundessozialgerichts der Auffassung, daß es sich bei dem Ausgangsverfahren um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung handele, über die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden hätten. Dabei geht der vorlegende Senat davon aus, daß trotz des etwas weitergehenden Klageantrags Gegenstand des Ausgangsverfahrens allein das – einen Unterlassungsanspruch der Beklagten leugnende – negative Feststellungsbegehren der Klägerin ist.
Damit besteht zwischen den beteiligten Senaten eine Divergenz in einer für den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblichen Frage.
III. Der Gemeinsame Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage dahin, daß für Rechtsstreitigkeiten zwischen den Anbietern des Fachhandels und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Zulässigkeit der Wiederverwendung der den Krankenkassen gehörenden Hilfsmittel und deren erneute Gebrauchsüberlassung an Leistungsberechtigte der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Denn dabei handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit (§ 13 GVG).
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlichrechtlich ist, richtet sich, wenn – wie hier – eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat, Beschl. v. 10. April 1986 – GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 313, 314 m.w.N.). Dabei kommt es – wie der Gemeinsame Senat in seinem angeführten Beschluß vom 10. April 1986 (a.a.O.) dargelegt hat...