Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung von Wohnungseigentum. Wohnungseigentumgsrecht
Leitsatz (amtlich)
Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden können auch dann im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sein, wenn die Trennwände und Trenndecken nicht den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes aufstellt.
Normenkette
WohnungseigentumsG § 3 Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 4 Nr. 2
Tenor
Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden können auch dann im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sein, wenn die Trennwände und Trenndecken nicht den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes aufstellt.
Gründe
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer bebauter Grundstücke. Sie hat beantragt, an diesen Grundstücken Wohnungseigentumsrechte gemäß ihren nach § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes abgegebenen Teilungserklärungen in das Grundbuch einzutragen. Die zuständige Baubehörde hat dafür Abgeschlossenheitsbescheinigungen erteilt, die folgenden Hinweis enthalten: „Die Wohnungstrennwände und Decken entsprechen nicht den heutigen Anforderungen nach DIN 4109, 4108 und 4102 (Schall-, Wärme- und Brandschutz).”
Das Grundbuchamt hat die Eintragungsanträge mangels Abgeschlossenheit der Raumeinheiten zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht teilt die Ansicht der Vorinstanzen und möchte deshalb die weitere Beschwerde zurückweisen. Daran sieht es sich jedoch durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 20. Juni 1990 – BReg 2 Z 37/90 = BayObLGZ 1990, 168 gehindert und hat daher die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes meint, für das Erfordernis der Abgeschlossenheit im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG seien – jedenfalls bei einem schon errichteten Gebäude – bauordnungsrechtliche Kriterien nicht maßgebend. Er möchte deshalb der weiteren Beschwerde stattgeben. Daran sieht er sich gehindert, weil er damit von der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts abweichen würde, der das vorlegende Oberlandesgericht folgen will. Der 8. Senat hat entschieden, daß der in § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG verwendete Begriff „abgeschlossen” im bauordnungsrechtlichen Sinne zu verstehen sei; abgeschlossen seien danach nur solche Wohnungen oder sonstige Räume, die u.a. durch feste Wände und Decken, die den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an (Wohnungs-)Trennwände und (Wohnungs-)Trenndecken – insbesondere hinsichtlich des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes – entsprechen, baulich vollkommen von fremden Wohnungen und Räumen getrennt sind; diese Abgeschlossenheit im bauordnungsrechtlichen Sinne werde durch die Bescheinigung der Baubehörde nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG den in ihr bezeichneten Räumen attestiert (Urteil vom 11. Dezember 1987 – BVerwG 8 C 55.85 – Buchholz 454.11 WEG Nr. 1 S. 1). In einem Nichtzulassungsbeschluß hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts unter Hinweis auf dieses Urteil klargestellt, daß bei der Prüfung der Abgeschlossenheit im bauordnungsrechtlichen Sinne auf die jeweils gegenwärtige Sach- und Rechtslage abzustellen sei (Beschluß vom 26. Juli 1989 – BVerwG 8 B 112.89 – Buchholz 454.11 WEG Nr. 4 S. 5). Der vorlegende Senat hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Frage vorgelegt,
ob Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden nur dann im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sind, wenn die Trennwände und Trenndecken den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes an Neubauten stellt.
Der im Vorlagebeschluß vertretenen Rechtsauffassung hat sich der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nicht angeschlossen (Beschluß vom 18. April 1991 – BVerwG 8 ER 9.91/1).
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat beteiligt. Er vertritt den Standpunkt, die Vorlagefrage sei mit dem vorlegenden Senat des Bundesgerichtshofes zu verneinen.
2. Die Vorlage ist zulässig (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes – RsprEinhG – vom 19. Juni 1968 – BGBl. I S. 661). Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes will in der bezeichneten Rechtsfrage von dem angeführten Beschluß des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts abweichen.
3. Der Gemeinsame Senat beantwortet die ihm vorgelegte Rechtsfrage dahin, daß Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden auch dann im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG in sich abgeschlossen sein können, wenn die Trennwände und Trenndecken nicht den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes aufstellt.
a) Für diese Auslegung spricht im Lichte der Verkehrsanschauung schon der Wortlaut des Gesetzes. Danach soll Sondereigentum nur eingeräumt werden, wenn die Wo...