Rz. 1
Die Zivilprozessordnung behandelt das Endurteil (§ 300 Abs. 1 ZPO) als das Modell eines Vollstreckungstitels (MüKoZPO/Götz, 5. Aufl. 2016, § 704 ZPO Rn. 2) und verbindet so Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Deshalb werden zunächst am Beispiel dieses Titels die allgemeinen Grundsätze über die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung und diejenigen allgemeinen Regeln, die für jede Art der Zwangsvollstreckung gelten, dargestellt. Erst in den §§ 794 bis 801 ZPO werden dann die weiteren Titel und die für diese geltenden Besonderheiten angesprochen.
Rz. 2
Als Endurteile werden zunächst die eine Instanz abschließenden Urteile angesehen. Deshalb sind Endurteile im Sinne dieser Vorschrift auch Teilurteile (§ 301 Abs. 1 ZPO), Vorbehaltsurteile (§ 302 Abs. 3, § 599 Abs. 3 ZPO), Versäumnisurteile (nach den §§ 330, 331 ZPO und nicht nach § 347 Abs. 2 ZPO), Verzichts- (§ 306 ZPO) und Anerkenntnisurteile (§ 307 ZPO). Die Bestimmung gilt nur für inländische Urteile. Zur Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile vgl. § 722 ZPO.
1.1 Rechtskraft und vorläufige Vollstreckbarkeit
Rz. 3
Rechtskräftig sind Endurteile, sobald die formelle Rechtskraft (§ 705 Satz 1 ZPO) eingetreten ist, wenn sie nicht bereits mit ihrer Verkündung rechtskräftig werden (vgl. bei § 705 ZPO).
Rz. 4
Ein nicht rechtskräftiges Urteil kann dann Grundlage der Zwangsvollstreckung sein, wenn es vom Gericht für vorläufig vollstreckbar erklärt wird. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach den §§ 708ff. ZPO. Endurteile der Arbeitsgerichte sind nach § 62 Abs. 1 ArbGG ohne weiteres vorläufig vollstreckbar, bis die formelle Rechtskraft eintritt. Einer ausdrücklichen Tenorierung bedarf die vorläufige Vollstreckbarkeit angesichts ihrer gesetzlichen Anordnung nicht, selbst wenn aus dem Tenor nicht immer ersichtlich ist, ob die eine Verpflichtung aussprechende Entscheidung in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit ergangen ist. Damit wird die Entscheidung aber nicht in die Zwangsvollstreckung verlagert, denn die vollstreckbare Ausfertigung nach § 724 ZPO wird gemäß § 724 Abs. 2 ZPO vom Gericht erster oder zweiter Instanz erteilt. Dessen Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hat die – bei noch laufendem Erkenntnisverfahren vorläufige – Vollstreckbarkeit vor Klauselerteilung zu prüfen. Das Vollstreckungsorgan hat lediglich das Vorliegen der Klausel und ihre ordnungsgemäße, d. h. von dem zuständigen Beschäftigten und formgerecht erfolgte Erteilung zu überprüfen, nicht aber, ob sie erteilt werden durfte (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.07.2012, 10 Ta 1367/12). Fehlt bei einem Urteil eines Zivilgerichts der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit, ist nach § 716 ZPO ein entsprechendes Ergänzungsurteil im Verfahren nach § 321 ZPO zu beantragen. Urteile, mit denen ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung angeordnet oder bestätigt wurde, bedürfen des Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht, weil sie dem vorläufigen Rechtsschutz "immanent" ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2019, 39040). Ebenfalls nicht vorläufig vollstreckbar sind Urteile, die mit ihrer Verkündung rechtskräftig werden (Urteile des BGH). Keiner Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedürfen auch die Endentscheidungen (Beschlüsse, § 38 FamFG) im Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Sie sind mit dem Wirksamwerden vollstreckbar (§ 86 Abs. 2 FamFG) und bedürfen einer Vollstreckungsklausel nur dann, wenn die Vollstreckung nicht durch das Gericht erfolgt, das den Titel erlassen hat (§ 86 Abs. 3 FamFG; vgl. auch BeckOK FamFG/Sieghörter, 29. Edition, 2019, § 86 FamFG Rn. 16).
Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil im Rechtsmittel- bzw. im Einspruchsverfahren (Versäumnisurteile) aufgehoben, führt das – im Falle der Vollstreckungsfähigkeit der Entscheidung – zum Wegfall der Vollstreckbarkeit und auch zur endgültigen Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 775 Nr. 1, 776 ZPO).
1.2 Urteilsinhalt – Bestimmtheit des Tenors des Urteils
Rz. 5
Das Endurteil muss seinem Inhalt nach zur Vollstreckung geeignet sein. Dazu gehört, dass es seiner Art nach vollstreckungsfähig ist und zusätzlich einen vollstreckbaren Anspruch hinreichend bestimmt bezeichnet (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 703 Rn. 4). Vollstreckbar sind zunächst sämtliche Leistungsurteile, das sind Urteile, die den Beklagten (Schuldner) verpflichten, an den Kläger (Gläubiger) eine Leistung zu erbringen (z. B. die Zahlung einer bestimmten Geldsumme, die Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes oder die Unterlassung einer bestimmten Leistung). Keine Zwangsvollstreckung (bis auf die Kosten auf der Grundlage der §§ 103 ff. ZPO) findet statt bei Urteilen, die eine Klage abweisen oder eine Entscheidung aufheben, bei Feststellungs- (§ 256 ZPO) und Gestaltungsurteilen, die keinen vollstreckbaren Inhalt haben.
Rz. 6
Der vollstreckbare Anspruch muss in dem Urteil als Vollstreckungstitel inhaltlich bestimmt bezeichnet sein (BGH, NJW 1986, 1440). Der Titel ist nur dann bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung...