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Maßgeblich für die Zwangsvollstreckung ist der Tenor eines Urteils (BGH, NJW 1992, 1691). Um eine geeignete Grundlage für das Vollstreckungsverfahren bilden zu können, muss aus ihm deutlich hervorgehen, was genau der Beklagte schuldet. Dabei ist der Wortlaut des Tenors auch der Auslegung fähig. Immer wenn die Fassung des Urteilstenors zu Zweifeln Anlass gibt, dann muss der wahre Sinn der Urteilsformel durch Auslegung festgestellt werden (BGHZ 36, 11 [14]; NJW 1972, 2268, 2269; OLG München, FamRZ 1999, 944; NJW-RR 1986, 638; 1988, 22). Die Auslegung obliegt dem zuständigen Vollstreckungsorgan (AG Bad Hersfeld, Beschluss v. 16.10.2019 – 13 M 975/19 –, DGVZ 2020, 101; Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rn. 26), wobei in erster Linie der Tenor des Urteils maßgebend ist; gegebenenfalls sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen (MünchKomm/ZPO-Götz, § 704 Rn. 8). Dabei sind Umstände, die außerhalb des Titels liegen, bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; insbesondere ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen (Hessisches LAG, Beschluss v. 6.8.2019 – 8 Ta 172/19 –, juris; BGH, MDR 2015, 1255; NJW 2010, 2137 Rn. 11). Das Prozessgericht, das als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den es selbst erlassen hat, kann bei der Auslegung des Titels aber sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren mit heranziehen und damit Umstände berücksichtigen, die außerhalb des Titels liegen (BGHZ 156, 335, 339; NJW 2010, 2137; MDR 2015, 1255). Diese Möglichkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Titel um eine einstweilige Verfügung handelt, die das Prozessgericht durch einen nicht mit einer Begründung versehenen Beschluss nach §§ 922 Abs. 1, 936 ZPO erlassen hat, denn in einem solchen Fall können keine Entscheidungsgründe zur Auslegung herangezogen werden (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss v. 17. 4. 2018, 5 W 16/18 – Juris). Die vom Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan zu beachtende Begrenzung der Auslegungsmöglichkeiten des Vollstreckungstitels sperrt grundsätzlich die Berücksichtigung außerhalb des Titels liegender Umstände, bewirkt hingegen nicht, dass der Vollstreckungstitel selbst nur in bestimmten Teilen – etwa seinem Tenor – zur Auslegung herangezogen werden darf (OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 58; hier: Ausräumung verbleibender Zweifel an der Bedeutung des Tenors "28.709,44 EUR abzüglich von ... [den übrigen Gesamtschuldnern] am 30.08.2010 bereits gezahlter 17.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 22.12.2005 zu zahlen." durch Auslegung des Tatbestandes. Außerhalb derselben liegende Umstände dürfen nicht herangezogen werden (vgl. BGH, NJW 1986, 1440). So genügt es nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (BGHZ 165, 223). Ist die Urteilsformel unbestimmt, kann im Verfahren der Zwangsvollstreckung keine Ergänzung des Titels stattfinden (LG Mainz, Rpfleger 1993, 253). Der Mangel kann auch nicht durch eine Berichtigung des Urteils nach § 319 ZPO oder eine entsprechende Fassung der Klausel behoben werden. In diesen Fällen ist die Zwangsvollstreckung aus dem Titel nicht zulässig, kann aus dem Titel die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden (OLG Hamm, MDR 1983, 849). Vielmehr bedarf es einer neuen Klage des Gläubigers. Die Klage kann auf Feststellung des Urteilsinhalts (vgl. BGH, NJW 1972, 2268) oder auch auf eine zweite, (nunmehr) bestimmte Verurteilung gerichtet sein (Stein/Jonas/Münzberg, vor § 704 Rn. 31 m. w. N., insbesondere Fußnote 169).