3.1 Bedeutung
Rz. 10
Hat ein Berechtigter einen Antrag auf Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses nach Absatz 1 gestellt, holt die Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges im Regelfall von Amts wegen das Notfristzeugnis ein. Das Notfristzeugnis (Notfristattest oder Notfristmitteilung) erbringt den Nachweis, dass gegen eine rechtskraftfähige Entscheidung innerhalb der Notfrist ein Rechtsmittel (bzw. Einspruch oder Rüge nach § 321a ZPO) nicht eingelegt worden ist. Es ist daher grundsätzlich das geeignete Mittel zur Erlangung des Rechtskraftzeugnisses (MüKoZPO/Götz, § 706 Rn. 6). Es ist zum einen aber nicht das einzige Beweismittel und zum anderen nur dann zur Erlangung des Rechtskraftzeugnisses notwendig, wenn das Rechtsmittel (der Einspruch, die Rüge) bei einem anderen Gericht einzulegen ist als bei dem Gericht, das für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses zuständig ist (MüKoZPO/Götz, a. a. O.). Bei Berufung und Revision ist dies der Fall, nicht aber beim Einspruch. Da die sofortige Beschwerde sowohl beim Beschwerdegericht als auch bei dem die anzufechtende Entscheidung erlassenden Gericht eingelegt werden kann, ist ein Notfristzeugnis nur dann erforderlich, wenn beim Gericht der ersten Instanz eine sofortige Beschwerde nicht eingegangen ist. Ein Zeugnis der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts, dass auch keine Sprungrevision eingereicht worden sei, muss nicht vorgelegt werden (Abs. 2 Satz 2). Das hat seinen Grund in der Vorschrift des § 566 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Danach hat die Geschäftsstelle des Revisionsgerichts, nachdem der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision nach § 566 Abs. 1 ZPO eingereicht ist, unverzüglich von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs die Prozessakten anzufordern. Deshalb ist das erstinstanzliche Gericht selbst in der Lage zuverlässig festzustellen, ob eine Sprungrevision eingelegt worden ist. Die vorgenannte Besonderheit gilt auch bei der Sprungrechtsbeschwerde (§ 75 FamFG; BGH, Beschluss v. 9.12.2009 – XII ZB 215/09 –, FamRZ 2010, 284).
3.2 Verfahren
Rz. 11
Das Notfristzeugnis wird von Amts wegen eingefordert. Zuständig für die Erteilung des Notfristzeugnisses ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist. Der Urkundsbeamte prüft ausschließlich, ob vor Ablauf der Notfrist eine Rechtsmittelschrift (Einspruch, Rüge) eingegangen ist. Dazu muss er den Ablauf der Notfrist selbständig feststellen. Er hat also grundsätzlich den Zeitpunkt der Zustellung als Beginn des Fristlaufs festzustellen. Ergibt seine Prüfung, dass ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden ist, so bescheinigt er dies unter Angabe des Datums in Textform (§ 126b BGB), das er als das für den Ablauf der Notfrist maßgebliche Datum ermittelt hat (MüKoZPO/Götz, § 706 Rn. 7). Die Bescheinigung lautet: "Gegen das Urteil (den Beschluss) des … vom … ist bis zum Ablauf der Notfrist am … eine Rechtsmittelschrift (Einspruchsschrift, Rügeschrift) nicht eingegangen.". Dem Urkundsbeamten obliegt es indes nicht, in echten Zweifelsfällen z. B. die Wirksamkeit der Zustellung oder der sonst für den Ablauf der Rechtsmittelfrist erheblichen besonderen Umstände sowie die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels (Einspruchs) zu prüfen und zu entscheiden. Im Zweifelsfällen kann er bescheinigen, "dass bis zum Tag der Ausstellung des Zeugnisses keine Rechtsmittelschrift (kein Einspruch) eingegangen ist" (BGH, NJW-RR 2003, 1005 = MDR 2003, 826 = BGHReport 2003, 828). Stellt der Urkundsbeamte dagegen fest, dass ein Rechtsmittel (Einspruch, Rüge) rechtzeitig eingegangen ist, so verweigert er die Erteilung des Notfristzeugnisses unter Hinweis auf die eingegangene Rechtsmittelschrift. Ist das Rechtsmittel (Einspruch, Rüge) – nach der Berechnung des Urkundsbeamten – verspätet eingelegt worden, ist das Notfristattest zu erteilen. In diesen Fällen sollte aber auch das Datum des Eingangs der Rechtsmittelschrift mitgeteilt werden. Ein vorliegender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hindert die Erteilung des Notfristzeugnisses nicht. Gewährt allerdings das Rechtsmittelgericht die Wiedereinsetzung, ist das Notfristzeugnis zu versagen. Der Urkundsbeamte hat keine Prüfungskompetenz bezüglich der Zulässigkeit oder gar der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels (Einspruchs, Rüge). Die Erteilung eines Teilnotfristzeugnisses ist ausgeschlossen, weil aus einer Teilanfechtung keinerlei Rückschlüsse auf eine Teilrechtskraft gezogen werden können (Zöller/Seibel, § 706 Rn. 14). Eine Ausnahme liegt allerdings dann vor, wenn zwei Beklagte in Anspruch genommen werden, die keine notwendigen Streitgenossen sind, und nur einer von ihnen ein Rechtsmittel eingelegt hat, weil in diesem Fall die Rechtskraft für jeden der Streitgenossen gesondert zu beurteilen ist (OLG Karlsruhe, OLGZ 1989, 77 = Justiz 1989, 302). Ist ein Rechtsmittel eingelegt und dann wieder zurückgenommen worden, kann weder das Notfristzeugnis noch eine Bescheinigung über die Rücknahme erteilt werden. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat in die...