1.4.1 Antrag, Rechtsbehelfseinlegung
Rz. 7
Das Tätigwerden im Hinblick auf eine Einstellung der Zwangsvollstreckung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der auf eine bestimmte Anordnung gerichtet sein muss (OLG Hamm, FamRZ 1990, 1267). Der Antrag kann schriftlich oder in mündlicher Verhandlung gestellt werden. Vorformulierte, pauschale Anträge, wie sie häufig in Textbausteinen für Rechtsmittelschriften enthalten sind, genügen im Allgemeinen nicht den Anforderungen, weil zumindest unklar bleibt, ob ein Antrag ernsthaft gestellt werden soll. Die Bausteine enthalten nämlich oft mehrere, nur teilweise im konkreten Fall zutreffende Anträge, und es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, sich im Einzelfall das Passende herauszusuchen (MünchKomm/ZPO-Götz, § 707 Rn. 6). Im Verfahren vor den Amtsgerichten kann der Antrag nach § 496 ZPO auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Ob im Einzelfall für den Antrag Anwaltszwang besteht, richtet sich nach § 78 ZPO. Die Einstellung setzt als Zulässigkeitserfordernis voraus, dass dasjenige Verfahren, das auf die Beseitigung des Titels gerichtet ist, wirksam betrieben wird. Voraussetzung ist deshalb, dass der nach dem Anwendungsbereich der Vorschrift in Frage kommende Rechtsbehelf (hier: Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahmeantrag) eingelegt worden ist, die Rüge nach § 321a ZPO erhoben ist bzw. der Rechtsstreit im Nachverfahren fortgesetzt wird. Entsprechendes gilt betreffend derjenigen Sachverhalte, in denen die Bestimmung des § 707 ZPO kraft Verweisung oder entsprechend anwendbar ist (vgl. oben Rn. 2, 3). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes finden die §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO bereits vor Einlegung des Rechtsmittels während der Dauer des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Rechtsmittel entsprechende Anwendung (LG Berlin, Beschluss v. 29.10.2020 – 67 S 314/20 –, MDR 2020, 1466). Der Schuldner muss lediglich die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 glaubhaft machen (LArbG Düsseldorf, JurBüro 1992, 499).
1.4.2 Rechtsschutzbedürfnis
Rz. 8
Zum Zeitpunkt der Entscheidung muss das Rechtsschutzbedürfnis vorliegen (MünchKomm/ZPO-Götz, § 707 Rn. 9). Es besteht schon vor dem Beginn der Zwangsvollstreckung ab Erteilung der Klausel und fällt mit dem Ende der Zwangsvollstreckung weg (OLG Bamberg, NJW-RR 1989, 576). Es fehlt, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil einzustellen, das gar nicht vollstreckbar ist (LArbG Hamburg, DB 1983, 724). Das gilt selbst dann, wenn das Urteil zu Unrecht für vorläufig vollstreckbar erklärt wurde. In diesem Fall hat der Schuldner lediglich die Möglichkeit, gegen das Urteil nach § 732 ZPO oder § 768 ZPO vorzugehen und eine einstweilige Einstellung nach § 732 Abs. 2 ZPO zu erwirken.
Rz. 9
Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht für den Antrag auch dann, wenn nach dem Urteil der Gläubiger seinerseits nur gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO) vollstrecken darf (HansOLG Hamburg, MDR 1990, 161; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 5. Aufl., Rn. 177; OLG Celle, MDR 1987, 505; OLG Frankfurt/Main, NJW 1976, 2137; a. A.: z. B. Zöller/Herget, § 707 Rn. 12; Thomas/Putzo § 719 Rn. 3; HansOLG Hamburg, MDR 1990, 931; OLG Bamberg, NJW-RR 1989, 576). Das gilt auch, wenn dem Schuldner eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO eingeräumt ist (MünchKomm/ZPO-Götz, § 707 Rn. 9). Ist dem Schuldner allerdings eine Abwendungsbefugnis nach § 712 Abs. 1 S. 1 ZPO eingeräumt, dann besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für ihn nur noch insoweit, als der Schuldner die Einstellung ohne jede Sicherheitsleistung begehrt.
1.4.3 Erfolgsaussicht
Rz. 10
Der Rechtsbehelf muss geltend gemacht und zulässig sein und muss Aussicht auf Erfolg haben, weshalb vor der Entscheidung über die Einstellung immer auch die Begründung des Rechtsmittels abzuwarten ist (OLG Köln, MDR 1975, 850). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß den §§ 717, 719 ZPO setzt voraus, dass erkennbar ein gewisses Maß an Erfolgsaussicht vorhanden ist (BGH, Beschluss v. 22.8.2017 – I ZB 70/17 –, juris; OLG Bamberg, NJW-RR 1989, 576). Dabei sind die wirtschaftlichen Auswirkungen abzuwägen. Im Zweifel haben die Gläubigerinteressen Vorrang vor denjenigen des Schuldners (OLG Köln, OLGZ 1979, 113). Insgesamt kann gesagt werden, dass der Rechtsbehelf zulässig sein muss und nicht völlig aussichtslos sein darf. Bei der Einschätzung der Erfolgsaussicht genügt eine summarische Prüfung (KG, FamRZ 1978, 413). Eine Beweisantizipation ist zulässig (Zöller/Seibel, § 707 Rn. 9). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Einlegung der Berufung ist grundsätzlich abzulehnen, wenn das angefochtene Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist (OLG Köln, ZIP 1994, 1053). Bei einer im Urteilswege erlassenen einstweiligen Verfügung ist eine – grundsätzlich zulässige – Einstellung der Zwangsvollstreckung nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen erlaubt. Solche Ausnahmefälle können vorliegen, wenn bereits feststeht, dass das Urteil aufzuheben oder die fehlende Dringlichkeit glaubhaft gemacht ist (OLGR Rostock 2008, 211).
1.4.4 Rechtliches Gehör
Rz. 1...