Rz. 15
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung kommt nach Abs. 1 Satz 2 nur in Betracht, wenn der Schuldner glaubhaft macht (§ 294 ZPO), dass er die Sicherheit nicht aufbringen kann, wobei wirkliches Unvermögen vorliegen und ihm ein nicht zu ersetzender Nachteil drohen muss. Ein nicht zu ersetzenden Nachteil ist dann gegeben, wenn die Zwangsvollstreckung zu einem nicht wiedergutzumachenden Schaden führen würde. Nicht wiedergutzumachend ist nur, was nicht mehr rückgängig gemacht werden oder ausgeglichen werden kann (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 14.12.2017, 17 Sa 84/17, Rn. 14 Juris). Der nicht zu ersetzende Nachteil muss gerade durch die Vollstreckung ausgelöst werden, es reicht nicht aus, dass z. B. ein Rückforderungsanspruch wegen möglicher Überzahlung nicht durchsetzbar sein könnte. Denn dies ist eine regelmäßige Folge der Zwangsvollstreckung, die vom Schuldner hinzunehmen ist (KG, Beschluss v. 21.3.2012, 8 U 202/11; OLG Rostock, JurBüro 2006, 383; OLG Hamm, 10. Zivilsenat, MDR 1999, 1404 = FamRZ 2000, 363; OLG Hamm, 12. Zivilsenat, FamRZ 1997, 1489 = InVo 1998, 51; a. A. OLG Hamm, 1. Zivilsenat, FamRZ 1996, 113). Deshalb genügen auch bloße finanzielle Nachteile nicht, der Schuldner muss vielmehr glaubhaft machen, dass mit der weiteren Vollstreckung irreparable Folgeschäden, z. B. Verlust der Existenzgrundlage (KG, NZM 2008 623), verbunden sind. Dass der Schuldner unter Umständen auf einen entsprechenden Antrag des Gläubigers hin die eidesstattliche Versicherung abzugeben hätte, ist eine allgemeine Wirkung des Vollstreckungsrechtes und reicht nicht aus (KG, Beschluss v. 21.3.2012, 8 U 202/11). Die drohende Insolvenz einer reinen Beteiligungs-AG genügt jedenfalls nicht (OLG Frankfurt/Main, MDR 1982, 239). Schließlich ist auch die Glaubhaftmachung einer drohenden Insolvenz in der Regel nicht ausreichend (BGH, MDR 1987, 122). In Unterhalts-Familienstreitsachen liegen die Voraussetzungen vor, wenn im Falle der Aufhebung oder Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit auf Dauer nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen (OLG Karlsruhe, NJW 2018, 1409; zum alten Recht: BGH, MDR 2007, 737 – zu § 719 Abs. 2 ZPO). Diese Rechtsprechung ist auf die neue Rechtslage (vgl. §§ 116 Abs. 3 Satz 3, 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG i. V. m. §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO) anwendbar. Die Systematik der §§ 116 Abs. 3 Satz 3, 120 Abs. 2 FamFG verbietet es, den unwiederbringlichen Verlust einer Unterhaltszahlung, die innerhalb des Zeitraums geleistet wird, für den sie geschuldet wird, als einen nicht zu ersetzenden Nachteil zu beurteilen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2018, 1409). Für die Einstellung der Vollstreckung von Unterhaltsrückständen reicht die – unwidersprochene – Darlegung des endgültigen Verlustes an den nach Verbrauch zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen (OLG Brandenburg, FF 2014, 88 m. w. N. zur familiengerichtlichen Rechtsprechung). Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den vorläufig vollstreckbaren arbeitsgerichtlichen Urteilen ist gem. § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i. V. m. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass ihm die Vollstreckung einen unersetzlichen Nachteil bringen werde (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 18.7.2016, 5 Sa 271/16, Rn. 7 – Juris). Die Voraussetzung kann u. a. dann erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber erstinstanzlich zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden ist und zweitinstanzlich einen auf § 9 Abs. 1 KSchG gestützten Auflösungsantrag stellt, der zu einer (neuen) Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt und deshalb ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet. Allerdings ist zu beachten, dass bei der erstinstanzlichen Entscheidung über eine beantragte Weiterbeschäftigung alle bis zum Urteilszeitpunkt dem Arbeitsgericht vorliegenden Erkenntnisse im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 18.7.2016, 5 Sa 271/16, Rn. 7 - Juris; vgl. ausführlich LAG Hamm, 27.2.2015, 13 Sa 166/15 – m. w. N.).