Rz. 3
Voraussetzung für den Erlass der Anordnung nach § 710 ZPO ist es, dass dem Gläubiger die Sicherheitsleistung unmöglich oder erheblich erschwert ist und er deshalb nicht aus dem Urteil nicht vorläufig vollstrecken kann oder der Schuldner ihm nach § 711 ZPO die vorläufige Vollstreckung unmöglich machen kann. Unmöglich ist die Sicherheitsleistung für den Gläubiger, wenn er die erforderlichen Geldmittel nicht auftreiben bzw. einen tauglichen Bürgen nicht stellen kann. Mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist eine Sicherheitsleistung dann, wenn sie den Gläubiger in seiner Lebenshaltung in unzumutbarer Weise beeinträchtigen würde. Das kann u. a. dann sein, wenn er zum Zwecke der Stellung der Sicherheit einen Kredit aufnehmen müsste. Auch weitere deutliche Einbußen in der Lebensführung, die der Gläubiger aufgrund der Sicherheitsleistung hinnehmen müsste, können im Einzelfall unzumutbar sein (MünchKomm/ZPO-Götz, § 710 Rn. 4). Stets ist eine Beurteilung aller Umstände in der Person des Gläubigers vorzunehmen (Zöller/Herget, § 710 Rn. 2). In der Praxis kommt die Anwendung dieser Bestimmung eher selten vor.
Rz. 4
Hinzukommen muss, dass ein Zuwarten mit der Vollstreckung für den Gläubiger unbillig wäre. Das ist nach dem Gesetz dann der Fall, wenn der Gläubiger durch die Verzögerung einen schwer zu ersetzenden oder in seinem ganzen Umfang schwer abzusehenden Nachteil erleiden würde oder wenn er die Leistung für seine Lebenshaltung oder seine Erwerbstätigkeit dringend benötigt. Diese in der Vorschrift angeführten Fälle sind nur Beispiele für die Unbilligkeit. Aus sonstigem Grund kann ebenfalls eine Unbilligkeit vorliegen. Die Prüfung der Frage erfordert eine Gesamtbewertung der Einzelumstände (Zöller/Herget, § 710 Rn. 2), wobei die Unzumutbarkeit einem der gesetzlichen Beispiele ähnlich sein muss (OLG München, Urteil v. 9.9.2011 – 10 U 2492/11; Stein/Jonas/Münzberg, § 710 Rn. 3). Dabei kann auch das Verhalten des Schuldners von Bedeutung sein (z. B. bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung); andererseits kann auch ein erhebliches Mitverschulden des Gläubigers an der eingetretenen Situation die Aussetzung als unzumutbar erscheinen lassen (MünchKomm/ZPO-Götz, § 710 Rn. 8). Gewöhnliche finanzielle Nachteile jedenfalls reichen nicht aus. Schwer ersetzbar ist ein Nachteil, wenn seine Wiedergutmachung – wegen anderer als Beweisschwierigkeiten – entweder zu scheitern droht oder voraussichtlich nur unvollkommen gelingen wird (Stein/Jonas/Münzberg, § 710 Rn. 5). Schwer abzusehen ist ein solcher dann, wenn seine Geltendmachung voraussichtlich auf Beweisschwierigkeiten stoßen wird (Stein/Jonas/Münzberg, § 710 Rn. 6). Wegen § 752 Satz 1 ZPO muss hinzukommen, dass entweder dem Gläubiger auch eine nur teilweise Sicherheitsleistung nicht möglich ist oder die in solchen Fällen geschaffene Möglichkeit nur der Teilvollstreckung (für Geldforderungen s § 709 Satz 2 ZPO) ebenfalls nachteilig oder unbillig wäre. Auf die Situation des Schuldners kommt es insoweit nicht an (Zöller/Herget a. a. O.).
Rz. 5
Eine Abwägung der Gläubigerbelange mit den Schuldnerbelangen findet im Rahmen der Prüfung des § 710 ZPO nicht statt. Es wird lediglich auf das Gewicht der Nachteile für den Gläubiger abgestellt. Der Schuldner kann seine Belange und eigenen Interessen im Rahmen eines Antrags nach § 712 ZPO verfolgen; dies führt dann zu einer Interessenabwägung nach § 712 Abs. 2 ZPO.