Rz. 1

Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber bei der Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Gläubigerinteressen – zu Recht – als vorrangig an. Jedenfalls wenn er Sicherheit leistet, kann der Gläubiger im Regelfall vollstrecken. Aber auch dann, wenn dies der Fall ist und er nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstrecken kann, können bei dem Schuldner Nachteile entstehen, die durch einen (späteren) Zugriff auf die geleistete Sicherheit nicht (mehr) auszugleichen sind. Für diese Fälle gibt Abs. 1 die Möglichkeit, dem Schuldner eine Abwendungsbefugnis einzuräumen, die der Gläubiger – anders als bei § 711 ZPO – nicht durch eigene Sicherheitsleistung "unterlaufen" kann. Wegen der weitreichenden Folgen für den Gläubiger stehen diese Befugnisse des Schuldners unter dem Vorbehalt, dass nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers die Durchführung der Zwangsvollstreckung erfordert (Abs. 2). Nach allgemeiner Auffassung sind die Voraussetzungen der Vorschrift restriktiv gestaltet, weshalb sie auch restriktiv anzuwenden sind (MünchKomm/ZPO-Götz, § 712 Rn. 3). Der Bestimmung kommt nach alledem Ausnahmecharakter zu. Auch diese Schutzanordnung hat grundsätzlich zu unterbleiben, wenn gegen das Urteil ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht gegeben ist (§ 713 ZPO). Die Bezugnahme auf § 709 Satz 2 ZPO soll auch hier eine vereinfachte Festsetzung der Sicherheitsleistung möglich machen. Die Bestimmung findet bei Urteilen, die im Verfahren der EuGFVO (§ 1105 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ergangen sind, keine Anwendung (Zöller/Herget, § 712 Rn. 1). Das gilt auch für Urteile, die einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung erlassen bzw. bestätigen und weiter für Urteile der Gerichte in Arbeitssachen, weil § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG insoweit eine vorrangige Sonderregelung enthält (BeckOK/ZPO-Ulrici, § 712 Rn. 1.1).

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