3.1 Nicht zu ersetzender Nachteil (Absatz 1 Satz 1)
Rz. 4
Die Schutzanordnung setzt voraus, dass dem Schuldner ein nicht zu ersetzender Nachteil durch die Vollstreckung entstehen würde. Nicht zu ersetzender Nachteil ist mehr als der nach § 710 ZPO ausreichende "schwer zu ersetzende oder schwer abzusehende Nachteil". Ein solcher Fall liegt vor, wenn durch die Vollstreckung ein Schaden entsteht, der nachträglich nicht wieder gutgemacht werden kann (MünchKomm/ZPO-Götz, § 712 Rn. 3). Solche Fälle sind sehr selten, weil der Schuldner im Regelfall auf die Sicherheitsleistung des Gläubigers zurückgreifen kann (Zöller/Herget, § 712 Rn. 1). Ein solcher Nachteil kann im Einzelfall dann vorliegen, wenn es um die Herausgabe eines einmaligen Gegenstands geht oder die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners droht (LG Düsseldorf, Urteil v. 24.3.2016, 4b O 7/15 – Juris; OLG Hamm, OLGZ 1987, 89; OLG Frankfurt/Main, MDR 1985, 507; vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 1996, 113). Weiterhin bei nicht durch Geld ausgleichbaren immateriellen Nachteilen oder in den Fällen von § 708 Nr. 10 ZPO, bei denen ein Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO nicht besteht (OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188). Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann (BGH, NJW 2012, 1292). Ebenfalls nicht ausreichend ist es, , dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnimmt (BGH, NZM 2017, 700).
3.2 Sicherheitsleistung des Schuldners
Rz. 5
Hat der Schuldner die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 glaubhaft gemacht, dann ergeht die Entscheidung – vorbehaltlich der Prüfung nach Abs. 2 – dahin, dass ihm die Befugnis der Vollstreckungsabwendung gegen Sicherheitsleistung (oder Hinterlegung) eingeräumt wird (vgl. Rn. 2). Die Bestimmung der Höhe sowie der Art der Sicherheitsleistung sowie die Anordnung der Möglichkeit zur Hinterlegung richten sich nach den für § 711 ZPO geltenden Grundsätzen. Anders als bei § 711 ZPO kommt im Rahmen von § 712 ZPO i. V. m. § 709 S. 2 ZPO eine teilweise Abwendung durch Teilsicherheitsleistung in Betracht, weil § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur § 709 Satz 2 ZPO, nicht jedoch § 711 Satz 2 ZPO in Bezug nimmt (BeckOK/ZPO-Ulrici, § 712 Rn. 3). Der Tenor ist etwa der gleiche wie bei § 711 ZPO mit der Ausnahme, dass der Gegner die Abwendung nicht durch eigene Sicherheitsleistung "unterlaufen" kann.
3.3 Keine Sicherheitsleistung des Schuldners
Rz. 6
Die Pflicht, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung eine Sicherheit zu leisten oder einen Gegenstand zu hinterlegen, entfällt ausnahmsweise, wenn der Schuldner dazu nicht in der Lage ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Schuldner vermögenslos und kreditunwürdig ist. In diesen seltenen Fällen, in denen der Schuldner "nicht in der Lage ist", die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, stehen dem Gericht grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Entscheidung zur Verfügung: Entweder schließt es die vorläufige Vollstreckbarkeit ganz aus oder beschränkt die Vollstreckung auf die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO (vgl. Rn. 2).
3.4 Überwiegendes Interesse des Gläubigers (Absatz 2)
Rz. 7
Die Schutzanordnungen zugunsten des Schuldners, die ohnehin nur restriktiv gehandhabt werden sollen, sind nicht zu erlassen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Folge dieser Einschränkung ist, dass in jedem Fall eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen (MünchKomm/ZPO-Götz, § 712 Rn. 6) und in den Entscheidungsgründen des Urteils nachvollziehbar darzustellen ist. Das Interesse des Gläubigers an der Zwangsvollstreckung überwiegt schon dann, wenn die dem Schuldner drohenden Nachteile nicht größer sind als die Nachteile, die dem Gläubiger durch den Aufschub der Vollstreckung entstehen. Im Kollisionsfall wird den Gläubigerinteressen die Vorrangstellung eingeräumt. Dem Antrag des Schuldners ist stattzugeben, wenn nach der Gesamtabwägung ein Vorrang der Interessen weder für die eine noch für die andere Seite festgestellt werden kann.
3.5 Kein überwiegendes Interesse (Absatz 2 Satz 2)
Rz. 8
Verhindert das überwiegende Interesse des Gläubigers Schutzanordnungen zugunsten des Schuldners, ist dieser gleichwohl nicht ganz schutzlos. In den Fällen des § 709 ZPO verbleibt die Sicherheitsleistung des Gläubigers. In den Fällen des § 708 ZPO gibt Abs. 2 Satz 2 dem Gericht die Möglichkeit, das Urteil ebenfalls nur gegen Sicherheitsleistung seitens des Gläubigers für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 müssen auch in diesen Fällen vorliegen, und die Schutzanordnung im Übrigen darf nur an Abs. 2 Satz 1 scheitern. Auch diese Entscheidung steht im freien Ermessen des Gerichts. Die Bestimmung gilt für alle Fälle des § 708 ZPO (nicht nur für die Fälle 4 bis 11).
3.6 Wirkungen der Schutzanordnungen
Rz. 9
Entfällt die Vollstreckbarerklärung des Urteils (oder wird es ausdrücklich für nicht vorläufig vollstreckbar erklärt, § 712 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. ZPO), ist die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils schlechthin ausgeschlossen. Im Falle des § 712 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. ZPO wird die Vollstreckung aus dem Urteil auf die nach § 720a ZPO zu treffenden Maßnahmen beschränkt.
Rz. 10
Im Falle des § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird die Zwangsvollstreckung unzulässig, wenn der Schuldne...