Rz. 7
Über die Bewilligung einer Räumungsfrist wird im Regelfall in dem Urteil entschieden, das die Räumung ausspricht (Abs. 1 Satz 1). Wird auf künftige Räumung erkannt, kann eine Räumungsfrist auch nachträglich durch Beschluss bewilligt werden (Abs. 2 Satz 1). Schließlich kann in beiden Fällen eine einmal bewilligte Räumungsfrist nachträglich verlängert oder auch verkürzt werden (Abs. 3 Satz 1).
4.1 Zuständigkeit
Rz. 8
Für die Entscheidung nach Abs. 1 (durch Urteil) ist das jeweilige Prozessgericht zuständig, das über die Räumung befindet, also auch das Berufungs- oder Revisionsgericht. Eine Räumungsfrist kann auch noch im Revisionsurteil ausgesprochen werden; eine vom Urteil isolierte Gewährung einer Räumungsfrist ist allerdings nur in § 721 Abs. 2 ZPO vorgesehen (BGH, Grundeigentum 2010, 842). Eine vom Urteil isolierte Gewährung einer Räumungsfrist sieht das Gesetz – von dem Fall einer auf zukünftige Räumung erkennenden Entscheidung nach § 721 Abs. 2 ZPO – nicht vor (vgl. BGH a. a. O.; a. A. für das Berufungsverfahren: LG Köln, Grundeigentum 2016, 329). Deshalb kann das zuständige Prozessgericht nicht vorab und isoliert, sondern nur gemeinsam mit der Entscheidung über den Räumungsantrag durch Gewährung einer Räumungsfrist entscheiden (OLG Dresden, ZMR 2019, 861; BGH, WuM 2014, 354; OLG München, NZM 2010, 720).Für die Entscheidungen nach den Abs. 2 und 3 ist grundsätzlich das Prozessgericht erster Instanz zuständig, das Berufungsgericht jedoch, sobald und solange die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist (Abs. 4 Satz 1), also ab Einlegung der Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils, Rücknahme oder Verzicht (LG Münster, WuM 2007, 1). Befindet sich die Sache in der Revisionsinstanz, ist das Prozessgericht der ersten Instanz zuständig (BGH, NJW 1990, 2823). Das Prozessgericht erster Instanz kann dem Beklagten (Räumungsschuldner) für den Verfahrensteil der Prüfung der Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO Prozesskostenhilfe auch dann gewähren, wenn eine Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegen den Räumungsanspruch selbst nicht besteht (zu Recht: AG Ludwigslust, WuM 2013, 608; a. A. AG Berlin-Schöneberg, NJWE-MietR 1996, 105). Das Vollstreckungsgericht ist für die Entscheidung über den Räumungsschutz nach § 765a ZPO zuständig (vgl. dort).
4.2 Antrag
Rz. 9
Die Entscheidung des Prozessgerichts nach Abs. 1 setzt keinen, auch keinen hilfsweise gestellten Antrag des Schuldners voraus, was indes die Stellung eines Antrags nicht ausschließt. Antragsberechtigt ist der Schuldner. Das Prozessgericht hat sich von Amts wegen mit der Frage der Bewilligung einer Räumungsfrist zu befassen (BVerfG, WuM 1999, 155). Es gilt allerdings auch insoweit keine Pflicht zur Amtsermittlung (Zöller/Seibel, § 721 Rn. 4). Im gerichtlichen Mieträumungsverfahren darf sich allerdings der Rechtsanwalt des Beklagten nicht darauf verlassen, dass das Gericht die Frage der Bewilligung einer Räumungsfrist von Amts wegen zu prüfen hat; vielmehr hat er – auch – selbst einen Antrag zu stellen und zu begründen. Unterlässt er dies, kann er sich schadensersatzpflichtig machen (OLG Hamm, NJW-RR 1995, 526 = WiB 1995, 444 m. Anm. Nerlich). Die maßgeblichen Umstände sind von den Parteien, insbesondere vom Schuldner, vorzutragen. Stellt der Schuldner einen Antrag, hat er die rechtfertigenden Umstände zu beweisen. Der Antrag kann von ihm nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden (Abs. 1 Satz 2; a. A. LG Berlin, JurBüro 1995, 530: bis zum Erlass des Urteils). Ist der Schuldner durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist dieser zur Antragstellung sowie -begründung verpflichtet (OLG Hamm, NJW-RR 1995, 526). Ist der Antrag rechtzeitig gestellt und vom Gericht in der Entscheidung übergangen, kann der Schuldner ein Ergänzungsurteil nach § 321 ZPO beantragen (Abs. 1 Satz 3). In diesem Fall kann bis zur Entscheidung über die Ergänzung die Zwangsvollstreckung auf Antrag des Schuldners wegen der Räumung einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt werden (Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz). Die Vorschrift des § 321 ZPO ist nicht anwendbar, wenn der Schuldner keinen Antrag auf Bewilligung der Räumungsfrist gestellt hatte und das Prozessgericht die von Amts wegen zu treffende Entscheidung unterlassen hat (der Schuldner kann dann allerdings Berufung oder Beschwerde einlegen; vgl. Rn. 20).
Rz. 10
Die Entscheidungen nach Abs. 2 und 3 setzen einen Antrag des Schuldners oder – bei Verkürzung der bewilligten Räumungsfrist – einen solchen des Gläubigers voraus (Stein/Jonas/Münzberg, § 721 Rn. 23, 24). Der Antrag ist schriftlich, beim Amtsgericht auch zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 496 ZPO) zu stellen; es gilt die Bestimmung des § 78 ZPO. Der Antrag des Schuldners ist fristgebunden: Er ist spätestens zwei Wochen vor dem Tage der Räumung (Abs. 2) bzw. dem Ablauf der – bewilligten – Räumungsfrist (Abs. 3) zu stellen. Bei Versäumung dieser Fristen gelten, obwohl es sich nicht um Notfristen handelt, die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Abs...