Rz. 1
Es gibt eine Reihe von Umständen, deren Vorliegen vor Beginn der Vollstreckung feststehen muss, die aber bei der Titelschaffung noch keine Berücksichtigung finden konnten oder jedenfalls für den Titel noch keine Bedeutung hatten. Ein Teil dieser Umstände soll nun im Klauselerteilungsverfahren festgestellt werden, damit das zuständige Vollstreckungsorgan von ihnen ohne weitere – eigene – Prüfung als feststehend ausgehen kann (MünchKomm/ZPO-Wolfsteiner, § 726 Rn. 1). Andere Umstände hingegen sollen erst vom Vollstreckungsorgan bei Vollstreckungsbeginn selbst überprüft werden. Aufgabe der Bestimmung ist es, hier eine Unterscheidung zu treffen und Maßstäbe zu setzen. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 Nr. 12 RPflG ist auch von Bedeutung, wer im Einzelfall für die Erteilung der Klausel zuständig ist: Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle oder Rechtspfleger. Anwendung findet die Bestimmung auf alle Titel, die eine Vollstreckungsklausel bedürfen. Ihr unmittelbarer Anwendungsbereich gilt deshalb den Urteilen. Über § 795 ZPO findet sie aber auch auf alle anderen Titel der ZPO Anwendung. Für Prozessvergleiche wird die Bestimmung durch § 795b ZPO modifiziert, wenn deren Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt sich einer aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängig ist. Dies erfasst insbesondere Widerrufsvergleiche, sofern das Gericht ausschließlicher Adressat des Widerrufs ist (vgl. § 795a ZPO; LG Koblenz Rpfleger 2011, 389).
Rz. 2
Im Klauselverfahren soll bereits abschließend geprüft und für das Vollstreckungsorgan bindend festgestellt werden, ob der Gläubiger, der nach dem Inhalt des Titels vor der Vollstreckung den Eintritt einer bestimmten Tatsache zu beweisen hat, den ihm obliegenden Beweis auch geführt hat. Dementsprechend erfasst die Bestimmung nur Fälle, in denen der Gläubiger den Eintritt der Tatsachen nach dem Inhalt des Titels oder nach allgemeinen Beweislastregeln zu beweisen hat und ist nicht anzuwenden, wenn in einem gerichtlichen Vergleich Forderungen fällig gestellt sind und Ratenzahlungen darauf unter bestimmten Voraussetzungen lediglich ausgesetzt sind (Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 8.6.2010 – 3 W 57/09). Abweichend von dieser Grundregel sollen zwei solcher "Tatsachen" doch erst vom Vollstreckungsorgan geprüft werden: die Erbringung der Sicherheitsleistung (§ 751 Abs. 2 ZPO) und die Befreiung des Gläubigers von seiner gleichzeitigen Leistungspflicht bei der Durchsetzung von Ansprüchen, die nur gegen eine Zug um Zug vom Gläubiger zu bewirkende Leistung realisiert werden können (§§ 756, 765 ZPO). Handelt es sich bei dem zu vollstreckenden Anspruch allerdings um den auf Abgabe einer Willenserklärung, so ist bei der Zug-um-Zug-Leistung doch wieder die Grundregel, Nachweis der Befreiung des Gläubigers von seiner gleichzeitigen Leistungspflicht, in Kraft. Die Bestimmung gilt nicht nur für Urteile, sondern auch für alle anderen Titel, die einer Klausel bedürfen, insbesondere auch für vollstreckbare Urkunden, Anwaltsvergleiche (OLG Köln, InVo 1997, 50), Prozessvergleiche (modifiziert durch § 795b ZPO für Prozessvergleiche, wenn deren Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt sich einer aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängig ist) und vollstreckungsfähige Beschlüsse. Bei der Auslegung einer notariellen Unterwerfungserklärung muss der Notar im Klauselerteilungsverfahren grundsätzlich von dem Wortlaut der Urkunde ausgehen. Ist eine Vollstreckungsbedingung i. S. d. § 726 Abs. 1 ZPO im Wortlaut der notariellen Urkunde nicht angelegt, verbietet sich für den Notar die Annahme einer solchen Bedingung. Er kann sie nicht allein aus einer Interessenabwägung herleiten (BGH, NJW 2011, 2803 = DNotZ 2011, 751 = MDR 2011, 1069).
Rz. 3
Eine vollstreckbare Ausfertigung darf in diesen Fällen nur dann erteilt werden, wenn der Gläubiger den Beweis des Eintritts der Tatsache durch öffentliche (§§ 415, 416 ZPO) oder öffentlich beglaubigte Urkunden (§ 129 BGB) geführt hat. Grundsätzlich hat der Gläubiger den Eintritt der sich aus dem Titel ergebenden Bedingungen zu beweisen, und zwar nach den allgemeinen Grundsätzen (BGHZ 81, 40; OLG Köln, NJW-RR 1994, 893 = JurBüro 1994, 611).
Im Einzelfall kann der Gläubiger vom Schuldner von der Nachweispflicht befreit werden (OLG Hamm, JurBüro 1991, 869; LG Düsseldorf, DGVZ 1984, 8; BGH, a. a. O.). Meist lautet die entsprechende Vereinbarung in notariellen Verträgen: "Die Vollstreckbarkeit soll ohne den Nachweis einer bestimmten Tatsache zulässig sein" oder "Dem Gläubiger soll auf Antrag eine vollstreckbare Ausfertigung auch ohne den Nachweis derjenigen Tatsachen erteilt werden, von deren Eintritt die Fälligkeit der Forderung oder die Entstehung bedingter oder künftiger Leistungen abhängt". Solche Erklärungen sind, weil die Unterwerfung nicht selbst schon zur Zwangsvollstreckung gehört, grundsätzlich wirksam (vgl. aber OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 1535 = OLGZ 1994, 101 zu § 11 Nr. 15 AGBG).