Rz. 9
Nicht nur die Frage, wer beweisbelastet ist, sondern auch die Frage, was zu beweisen ist, richtet sich allein nach dem Titel. Bei einem Widerrufsvergleich trägt derjenige die Beweislast für die Tatsache, dass ein Widerruf nicht erfolgt ist, der die Vollstreckungsklausel beantragt, denn er möchte die sich aus dem Vergleich für ihn ergebenden günstigen Rechtsfolgen herbeiführen. Dies gilt unabhängig davon, dass es sich hierbei um einen sog. Negativbeweis handelt. Allein die Tatsache des Negativbeweises führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast (BAG, InVo 2004, 114). Ist nach dem materiellen Recht mehr zu beweisen als im Titel Berücksichtigung gefunden hat, so entscheidet allein der Titel. Da, wo die Parteien die Formulierung des Titels selbst festlegen (beim Prozessvergleich, in der notariellen Urkunde), haben sie es auch in der Hand, den Gläubiger vom Nachweis bestimmter Tatsachen zu entbinden. In diesen Fällen ist es dann die Sache des Schuldners, den Nichteintritt der entsprechenden Bedingung im Verfahren nach § 767 ZPO geltend zu machen und dort auch zu beweisen. Wenn der Notar den Verzicht auf den Nachweis der Fälligkeit als zulässig und damit eine qualifizierte Klausel (§ 726 Abs. 1 ZPO) als entbehrlich ansieht, kann der Rechtspfleger als Vollstreckungsorgan sich nicht über diese Entscheidung hinwegsetzen und eine Vollstreckung ablehnen, weil der Notar den Eintritt der Fälligkeit als Tatsache gem. § 726 Abs. 1 ZPO nicht geprüft habe (LG Meiningen, Rpfleger 2013, 691). Selbst wenn der Nachweisverzicht des Schuldners unwirksam und statt der qualifizierten (§ 726 Abs. 1 ZPO) zu Unrecht nur eine einfache Vollstreckungsklausel (§ 724 ZPO) oder eine Nachfolgeklausel (§ 727 ZPO) erteilt worden ist, ist das Vollstreckungsorgan – hier der Rechtspfleger – an die Klausel gebunden (LG Meiningen, a. a. O.).
Rz. 10
Als Mittel der Beweisführung sieht Abs. 1 öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden vor (vgl. hierzu § 415 Abs. 1 ZPO; § 129 BGB; §§ 40, 65 BeurkG). Die Beweiskraft der Urkunden richtet sich nach den §§ 415 bis 418 ZPO. Grundsätzlich hat der Gläubiger die Urkunden vorzulegen (siehe auch § 792 ZPO). Ist der erforderliche oder für erforderlich gehaltene Nachweis durch die Urkunde(n) geführt, muss der die Klausel erteilende Rechtspfleger die Urkunden im Text der Klausel namhaft machen, da der Gerichtsvollzieher wissen muss, welche Urkunden er zustellen muss (§ 750 Abs. 2 ZPO). Spätestens bei Beginn der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner diese Urkunden zuzustellen. Obwohl in Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt, ist auch hier – wie in § 727 ZPO – der Nachweis durch die bezeichneten Urkunden dann nicht erforderlich, wenn die zu beweisenden Tatsachen bei Gericht (oder dem Notar) offenkundig sind. Die Offenkundigkeit (sie richtet sich nach § 291 ZPO) hat der die Klausel Erteilende ebenfalls in der Klausel zu vermerken.
Rz. 11
Schließlich braucht der Eintritt der Tatsache dann nicht nachgewiesen zu werden, wenn der Schuldner sie dem Rechtspfleger oder dem Notar gegenüber in der Anhörung zugesteht (§ 288 ZPO). Bloßes Schweigen auf eine Anfrage genügt dabei nicht; die Grundsätze des § 138 Abs. 3 ZPO sind nicht anzuwenden (a. A. OLG Bamberg, MDR 1999, 56; zur Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO im Rahmen des § 727 ZPO siehe dort Rn. 7).