1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Vollstreckungsvoraussetzungen werden durch die Vollstreckungsklausel "bescheinigt". Die hierzu notwendigen Prüfungen sind als selbständiger prozessualer Vorgang vor die Vollstreckung gestellt (Zöller/Seibel, § 732 Rn. 1). In diesem Verfahren kann der Schuldner lediglich, falls er nach § 730 ZPO gehört wird, Einfluss nehmen und seine Argumente vorbringen. Ist die Klausel einmal erteilt, so stehen ihm, unabhängig davon, wer im Einzelnen die Klausel erteilt hat (Urkundsbeamter, Rechtspfleger, Notar pp.), die Erinnerung nach dieser Vorschrift und die Klauselgegenklage nach § 768 ZPO, nicht aber daneben die allgemeinen Rechtsbehelfe nach § 573 ZPO, § 11 RPflG, §§ 58ff. FamFG zur Seite. Gegenüber den Letztgenannten ist die Klauselerinnerung der speziellere Rechtsbehelf (allg. M. HansOLG Hamburg [12. Zivilsenat], FamRZ 1998, 1447; OLG Celle, JurBüro 1982, 1264; OLG Karlsruhe, JurBüro 1983, 776; a. A. HansOLG Hamburg [15. Zivilsenat], FamRZ 1981, 980). Die Erinnerung verschafft dem Schuldner nachträglich das rechtliche Gehör durch den zuständigen Richter (vgl. Art. 92, 103 Abs. 1 GG). Sie stellt sich als die Fortsetzung des nach Maßgabe der §§ 724-730, 733 f. ZPO formalisierten Klauselerteilungsverfahrens dar, dessen Ziel der Überprüfung der dort vom Klauselorgan getroffenen Entscheidung ist (BGH, NJW 2007, 3357). Streitgegenstand ist ausschließlich die formelle Zulässigkeit der Erteilung der Klausel zu einer konkreten vollstreckbaren Ausfertigung. Im Rahmen der Erinnerung wird nicht über die ausgewiesene Vollstreckungsreife des Titels oder gar die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel zwischen den Beteiligten entschieden (vgl. BAG, NZA 2014, 1155). Im Unterschied zur Erinnerung nach § 732 ZPO hat die Klage nach § 768 ZPO, sog. Klauselgegenklage, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zum Gegenstand. Mit ihr wird geltend gemacht, dass eine konkrete Vollstreckungsklausel materiell nicht gerechtfertigt ist. Zwischen beiden Rechtsbehelfen kann es zu Überschneidungen kommen (vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, § 732 Rn. 3, 3.1).
2 Verfahren
Rz. 2
Der Urkundsbeamte und der Rechtspfleger dürfen, bevor sie die Sache dem Richter zur Entscheidung vorlegen (OLG Frankfurt/Main, InVo 2002, 421), der Erinnerung selbst abhelfen (OLG Koblenz, JurBüro 2002, 550). In diesen Fällen stehen dann dem Gläubiger diejenigen Rechtsbehelfe gegen die – dann erteilte – Vollstreckungsklausel zu, die ihm auch bei ursprünglich erteilter Klausel zugestanden hätten (LAG Düsseldorf, Rpfleger 1997, 119). Zur Entscheidung berufen ist ausschließlich (§ 802 ZPO) das Gericht, dessen Geschäftsstelle die Klausel tatsächlich erteilt hat. Das gilt auch, wenn die Klausel vom Richter oder Rechtspfleger erteilt ist. Wird der Erinnerung nicht abgeholfen, entscheidet mangels entgegenstehender Zuweisung stets der Richter (BGH, Rpfleger 2005, 520).
Rz. 3
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss bei freigestellter mündlicher Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO i. V. m. Abs. 1 Satz 2). Dem Gläubiger ist aber im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG vor Entscheidung Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung zu geben. Ihm droht nämlich über §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO bei voreiliger Entscheidung, soweit er schon vollstreckt hat, der Verlust des Ranges (Zöller/Seibel, § 732 Rn. 15). Die Entscheidung wird nach § 329 Abs. 2 ZPO mitgeteilt.
2.1 Zulässigkeit
Rz. 4
Die Erinnerung ist an sich statthaft, wenn der Schuldner mit ihr Einwendungen gegen eine bereits erteilte Klausel, die Fehler formeller Art im Klauselerteilungsverfahren betreffen, erhebt (OLG Düsseldorf, MDR 2020, 882; BayVGH, BayVBl 2018, 139; OLG Koblenz, FamRZ 2017, 739; BGH, Rpfleger 2006, 27; Rpfleger 2005, 612; Rpfleger 2005, 33; OLG Koblenz, NJW 1992, 378). Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch selbst sind nach § 767 ZPO zu verfolgen (Zöller/Seibel, § 732 Rn. 13). Gegen eine weitere vollstreckbare Ausfertigung ist die Erinnerung mit dem beschränkten Ziel statthaft, dass nur die Zwangsvollstreckung aus dieser für unzulässig erklärt wird (OLG Köln, FGPrax 2006, 278). Liegen die Voraussetzungen einer Klauselerinnerung und einer Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO vor, hat der Schuldner ein Wahlrecht, welchen Rechtsbehelf er geltend machen will (BGH NJW-RR 2004, 1718). Eine Klage aus § 767 Abs. 1 ZPO analog bleibt selbst dann zulässig, wenn der Schuldner zuvor mit denselben Einwendungen im Klauselerteilungsverfahren nach § 732 ZPO vorgegangen ist (OLG Celle, Urteil v. 9.12.2009 – 4 U 144/09). Schließlich ist die Erinnerung auch dann nicht der richtige Rechtsbehelf, wenn gegen die qualifizierte Klausel mit der Begründung vorgegangen werden soll, die besonderen Voraussetzungen der Klauselerteilung lägen nicht vor, obwohl der Anschein der vorgelegten Urkunden dafür spreche. In diesen Fällen ist die Klage nach § 768 ZPO der richtige Weg (vgl. zur Abgrenzung auch OLG Koblenz, a. a. O.). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Klausel noch nicht erteilt oder die Vollstreckung vollständi...