Rz. 3
Zuständig zur Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ist bei Urteilen und Prozessvergleichen der Rechtspfleger des für die erste Klauselerteilung zuständigen Gerichts nach § 20 Nr. 12 RPflG. Für die örtliche Zuständigkeit gilt § 724 Abs. 2 ZPO (BGH, NJW-RR 2006, 1575). Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 Abs. 3 ZPO). Für die Erteilung der weiteren Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheids ist der Rechtspfleger zuständig, der ihn erlassen hat (Zöller/Seibel, § 733 Rn. 11). Für die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung von notarielle Urkunden ist der die Urkunde verwahrende Notar oder, wenn die Urkunde von einer Behörde verwahrt wird, von dem Amtsgericht, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat, zu erteilen (§ 797 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
Rz. 4
Die Ausfertigung darf ohne weiteres erteilt werden, wenn die schon einmal erteilte zurückgegeben wird, sei es an den Schuldner, das Gericht oder auch an den Notar (Stein/Jonas/Münzberg, § 733 Rn. 2). Im Übrigen prüft der Rechtspfleger, ob nach den Umständen des Einzelfalls eine neue Ausfertigung als weitere Ausfertigung erteilt werden kann. Das setzt voraus, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung der ersten Klausel (§ 724 ZPO) vorliegen (Zöller/Seibel, § 733 Rn. 12). Denn ungeachtet der weiteren anzunehmenden Voraussetzungen kann eine weitere vollstreckbare Ausfertigung eines Vergleichsbeschlusses (§ 278 Abs. 6 ZPO) nicht erteilt werden, wenn lediglich Verpflichtungen aus dem Vergleich noch nicht erfüllt sind, die keinen hinreichenden vollstreckbaren Inhalt haben (LAG Berlin-Brandenburg, LAGE § 733 ZPO 2002 Nr. 1). Alsdann ist zu prüfen, ob der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Erteilung glaubhaft gemacht hat (OLG Düsseldorf, MDR 2013, 427 = Rpfleger 2013, 283) und ob nicht überwiegende Interessen des Schuldners der Erteilung der Klausel entgegenstehen (LG Hagen, Rpfleger 2013, 284; OLGR Celle, 2009, 357 = MDR 2009, 827). Zur Glaubhaftmachung i. S. d. § 294 ZPO kann eine anwaltliche Erklärung bzw. Versicherung des Sachverhalts ausreichen (OLG München, FamRZ 2013, 485). Dabei darf die Erteilung nicht ohne weiteres mit der Begründung abgelehnt werden, der Schuldner werde durch die drohende "Doppelvollstreckung" gefährdet, denn eine solche abstrakte Gefahr besteht bei jeder Erteilung einer weiteren Ausfertigung. Das Vollstreckungsorgan hat vielmehr eine umfassende Prüfung unter der Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und einer Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner vorzunehmen. In der Rechtsprechung haben sich Fälle herausgebildet, in denen von einem berechtigten Interesse des Gläubigers an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ausgegangen wird.
Dies sind im Wesentlichen folgende Fallgruppen:
- Verlust der ersten Ausfertigung ohne Berücksichtigung eines eventuellen Verschuldens des Gläubigers (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 25.2.2011, 8 Ta 43/11; Stein/Jonas/Münzberg, § 733 Rn. 3 m. w. N.) oder wenn sich aus den Akten nicht feststellen lässt, ob der Gläubiger eine erste vollstreckbare Ausfertigung erhalten hat (OLG Koblenz, NJW-RR 2013, 1019). Der Gläubiger, der den Verlust der vollstreckbaren Ausfertigung schlüssig darlegen kann, besitzt im Regelfall dann ein überwiegendes Interesse an der Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung, solange der Schuldner keine konkreten Umstände aufzeigt, dass die weitere vollstreckbare Ausfertigung zur Doppelvollstreckung benutzt wird (OLG Koblenz, NJW-RR 2013, 1019; OLGR Saarbrücken 2007, 837 = Rpfleger 2007, 673 = MDR 2008, 48). Liegt eine anwaltliche Versicherung vor, nicht im Besitz des Vollstreckungstitels zu sein und dessen Verbleib nicht zu kennen sowie abschriftlich vorgelegte Teilvollstreckungsaufträge an den zuständigen Gerichtsvollzieher und letztlich auch dessen Vermutung, dass der Titel voraussichtlich auf dem Postweg verloren gegangen ist, hat der Antragsteller den irregulären Verlust des Titels und damit auch sein besonderes Interesse an der erneuten Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung glaubhaft gemacht (AG Hagen, FoVo 2010, 232);
- wenn der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers die Ausfertigung zurückhält, ohne aus ihr zu vollstrecken (Schleswig-Holsteinisches OLG, MDR 2010, 292; OLG Stuttgart, Justiz 1995, 15; a. A. OLG Saarbrücken, AnwBl. 1981, 161; LG Hannover, Rpfleger 1981, 444; differenzierend: (jedenfalls für Unterhaltstitel) OLG Hamm, FamRZ 1998, 640),
- wenn der Gläubiger in verschiedene Vermögensgegenstände des Schuldners die Zwangsvollstreckung betreiben will und dafür örtlich und funktionell verschiedene Vollstreckungsorgane zuständig sind, beispielsweise, wenn wegen der zu vollstreckenden Forderung einerseits eine Sachpfändung und andererseits eine Forderungspfändung erfolgen soll (KG, Rpfleger 2011, 622); OLG Karlsruhe, Rpfleger 1977, 452) oder aus einem Zuschlagsbeschluss zugleich wegen einer Räumung und wegen der Kosten der Räumung vollstreckt werden kann (LG Schwerin, ZfIR 2012, 609);
- wenn d...