1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Wenn die Gütergemeinschaft – weshalb auch immer – aufgehoben wird, bleibt die Gemeinschaft zur gesamten Hand zunächst fortbestehen, bis die Ehegatten bzw. der überlebende Ehegatte und die Erben des verstorbenen Ehegatten (auch hier gilt, dass die Lebenspartner, die einen Lebenspartnerschaftsvertrag nach den §§ 6, 7 LPartG geschlossen haben, wie Ehegatten zu behandeln sind) sich über das Gesamtgut auseinandergesetzt haben (§ 1471 BGB). Bis zum Abschluss der Auseinandersetzung verwalten die Ehegatten bzw. der überlebende Ehegatte und die Erben des anderen Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, wobei es nicht auf die ursprüngliche Vereinbarung ankommt (§ 1472 BGB). Damit gleicht die Situation der in § 740 Abs. 2 ZPO geregelten. Deshalb bestimmt § 743 ZPO, dass nach Beendigung der Gütergemeinschaft und vor Abschluss der Auseinandersetzung in das Gesamtgut nur vollstreckt werden kann, wenn der Gläubiger einen Titel gegen beide Ehegatten bzw. den überlebenden Ehegatten und die Erben des anderen Ehegatten in den Händen hat (Stein/Jonas/Münzberg, § 743 Rn. 1, 1a). Einer der Titel muss (zumindest) ein Leistungstitel sein; als zweiter Titel genügt ein Duldungstitel auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut (wegen der evtl. möglichen Umschreibung vgl. § 744 ZPO).
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Die Gütergemeinschaft muss beendet sein. Mögliche Beendigungsgründe sind die vertragliche oder auch gerichtliche Aufhebung der Gütergemeinschaft sowie Beendigung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft durch gerichtliche Entscheidung oder, soweit die Gütergemeinschaft nicht fortgesetzt wird, der Tod eines Ehegatten oder Lebenspartners. Die Bestimmung ist bei der Zwangsvollstreckung zu beachten, wenn diese ein im Zeitpunkt der Vollstreckung trotz Beendigung der Gütergemeinschaft nach bestehendes Gesamtgut betrifft. In diesem Umfang gilt § 743 ZPO für alle Vollstreckungsarten und Vollstreckungstitel (§§ 794, 795 ZPO) und auch dann, wenn der bisherige Verwalter gutgläubig die alleinige Verwaltung des Gesamtguts auch nach Beendigung der Gütergemeinschaft fortgesetzt hat (§ 1472 Abs. 2 BGB). Das Gesamtgut besteht bis zur Auseinandersetzung, d. h. der vollständigen Verteilung des Gesamtguts (§§ 1471-1481 BGB). Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Gläubiger bei Beendigung der Gütergemeinschaft bereits einen Titel erwirkt hatte, der ihn zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut berechtigte. Dies ist dann ein Fall des § 744 ZPO (vgl. Rn. 2 bis 5). Wird die Gütergemeinschaft erst nach Beginn der Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut (z. B. Pfändung eines Gegenstands des Gesamtguts) beendet, berührt das die – weitere – Zwangsvollstreckung nicht.
Rz. 3
§ 743 ZPO gilt auch dann nicht mehr, wenn nach beendeter Auseinandersetzung des Gesamtguts vollstreckt wird (Stein/Jonas/Münzberg, § 743 Rn. 4; s. o. Rz. 2). Der Gläubiger kann dann aus einem Titel gegen den persönlich haftenden Ehegatten in dessen Vermögen vollstrecken, zu dem auch die diesem aus dem Gesamtgut zugeteilten Gegenstände gehören. Will allerdings der Gläubiger gegen den Ehegatten, in dessen Person sein Anspruch zwar nicht entstanden ist, der aber wegen der Verteilung des Gesamtguts vor Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten persönlich haftet (§ 1480 BGB), vorgehen, muss er gegen diesen ein Leistungsurteil erwirken. Ein Duldungstitel reicht nicht aus. Die mögliche Beschränkung der Haftung (§ 1480 Satz 2 BGB) ist von dem in Anspruch genommenen Ehegatten mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen (§§ 786, 785, 767 ZPO) und wird nicht von Amts wegen berücksichtigt.
3 Zwangsvollstreckung in den ideellen Anteil am Gesamtgut
Rz. 4
Von der Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ist streng zu unterscheiden diejenige in den ideellen Anteil eines jeden Ehegatten an dem Gesamtgut. Solange die Gütergemeinschaft besteht, ist die Zwangsvollstreckung in den ideellen Anteil ausgeschlossen (§ 860 Abs. 1 ZPO). Nach Beendigung der Gütergemeinschaft jedoch ist der Anteil eines jeden Ehegatten am Gesamtgut zugunsten des Gläubigers des Anteilsberechtigten der Pfändung unterworfen (§ 860 Abs. 2 ZPO). Für diese Zwangsvollstreckung benötigt der Gläubiger lediglich einen unbeschränkten Leistungstitel gegen seinen – anteilsberechtigten – Schuldner.
4 Rechtsbehelfe
Rz. 5
Fehlt einer der zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut erforderlichen Titel, haben beide Ehegatten, also auch derjenige, gegen den der Titel besteht, die Erinnerung nach § 766 ZPO. Derjenige, gegen den ein Titel nicht vorgelegt werden kann, kann Drittwiderspruchsklage erheben (§ 771 ZPO), die jedoch dann nicht begründet ist, wenn wegen einer Gesamtgutsverbindlichkeit in das Gesamtgut die Zwangsvollstreckung betrieben wird. Der zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut verurteilte Ehegatte kann auch dann die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) erheben, wenn in sein Vorbehalts-, Sondergut oder in den Neuerwerb nach Beendigung der Gütergemeinschaft vollstreckt wird (vgl. BeckOK/ZPO-Ulrici, § 743 Rn. 6, 7).