Rz. 12
Die Zwangsvollstreckung darf grundsätzlich nur beginnen, wenn der zu vollstreckende Titel dem Schuldner, gegen den die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll, bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Das Zustellungserfordernis sichert den Anspruch des Schuldners auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2017, 391; BGH, DGVZ 2007, 60 = NJW 2007, 3357 = MDR 2007, 797). Die in der Vorschrift vorgeschriebene Zustellung des Titels macht dem Schuldner nicht nur unmissverständlich klar, dass der Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird. Sie unterrichtet ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung und gibt ihm Gelegenheit, deren Zulässigkeit zu prüfen und Einwendungen geltend zu machen. Aus dem gleichen Grund sind dem Schuldner im Fall der Rechtsnachfolge auch die Vollstreckungsklausel und die ihrer Erteilung zugrunde liegenden Urkunden zuzustellen. Denn nur so wird er vollständig über die Grundlagen der Zwangsvollstreckung unterrichtet und in die Lage versetzt, deren Voraussetzungen zu prüfen (BGH a. a. O.) Als Zustellung im Sinne der Bestimmung kommen in Betracht die Zustellung von Amts wegen der Urteile (§ 317 Abs. 1 ZPO), einschließlich der die Verkündung ersetzenden Zustellung von Anerkenntnis- und Versäumnisurteilen (§ 310 Abs. 3 ZPO), die Zustellung von Amts wegen der einen Vollstreckungstitel bildenden Beschlüsse, gleich ob sie verkündet sind oder auch nicht (§ 329 Abs. 3 ZPO), und schließlich die Zustellung von Vollstreckungsbescheiden (§ 699 Abs. 4 ZPO). Weiter kommen in Betracht die Zustellung von Entscheidungen auf Betreiben des Gläubigers die dieser mit der sofortigen Mobiliarvollstreckung verbinden kann. Die gleichzeitige Zustellung kommt allerdings nur bei der Gerichtsvollziehervollstreckung in Betracht, weil nur der Gerichtsvollzieher die Zustellung selbst vornehmen darf (§ 166 ZPO). Bei anderen Titeln als den nicht von Amts wegen zuzustellenden Gerichtsentscheidungen kommt grundsätzlich nur die Zustellung auf Betreiben des Gläubigers in Betracht. Das gilt insbesondere für die Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, zu denen auch die Vergleiche im selbständigen Beweisverfahren (§ 492 Abs. 3 ZPO) gehören, für die Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO (Anwaltsvergleich) und § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (Urkunden des Gerichts oder Notars). Ist allerdings der mit einer Vollstreckungsklausel versehene gerichtliche Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dem Schuldner von Amts wegen zugestellt (was in der Praxis allerdings nicht oder kaum vorkommt), dann bedarf es keiner (weiteren) durch den Gläubiger veranlassten Zustellung desselben Titels (OLG Dresden, MDR 1996, 1184 = InVo 1997, 46; a. A. Thomas/Putzo, vor § 166 Rn. 7, 14). Der Nachweis der Zustellung ist für alle Arten der Zwangsvollstreckung und für jede Art von Titel gleichermaßen notwendig. Der auf den Vollstreckungstitel gesetzte Zustellungsvermerk des Gerichts nach § 213a ZPO erbringt, auch wenn er im Wege der maschinellen Bearbeitung erstellt worden ist (z. B. nach § 703a ZPO), grundsätzlich für das Vollstreckungsorgan den Nachweis, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels erfolgt ist (LG Dortmund, InVo 2002, 199). Lediglich wenn der Vollstreckungsschuldner die fehlende Zustellung oder die nicht ordnungsgemäße Zustellung rügt, hat der Gläubiger die Zustellung durch die Vorlage der Zustellungsurkunde nachzuweisen (AG Nürnberg, DGVZ 2009, 102; OLG Köln, Rpfleger 1997, 31). Ausnahmen vom Erfordernis der Titelzustellung spätestens bei Beginn der Zwangsvollstreckung sind in §§ 845, 929 Abs. 3 ZPO, § 133 ZVG niedergelegt. Für den Beginn der Zwangsvollstreckung auch aus arbeitsgerichtlichen Titeln ist es ausreichend, wenn der Titel dem Schuldner – in abgekürzter Form – im Parteibetrieb zugestellt worden ist (LArbG Frankfurt/Main, NZA 1988, 175). Als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid ist dessen Zustellung nach § 187 Satz 1 ZPO als bewirkt anzusehen, wenn er dem Schuldner tatsächlich zugegangen ist; da die Zustellung hier nicht bedeutsam für den Beginn der Frist zur Einlegung des Einspruchs ist, steht § 187 Satz 2 ZPO nicht entgegen (LG Düsseldorf, JurBüro 1987, 454). Auch die Vollstreckung von – nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 und des Europäischen Gerichtshofs vom 13.12.2018 nicht mit Grundgesetz oder Europarecht kollidierenden – Rundfunkbeiträgen setzt Titel, Klausel und Zustellung (des Titels) voraus (LG Tübingen, Beschluss v. 20.12.2018, 5 T 246/17, juris mit weiteren Ausführungen zur Vollstreckung).
Rz. 13
Die Zustellung im Parteibetrieb muss fehlerfrei nach den §§ 166 ff. ZPO erfolgt sein, d. h. an denjenigen, der tatsächlich als Schuldner in Anspruch genommen werden soll. Dieser muss mit dem im Titel bzw. in der Klausel namentlich genannten Schuldner bei Titelerlangung identisch sein. War der Schuldner bei Titelerlangung anwaltlich vertreten, so muss an den Rechtsanwalt zugestellt werden (§§ 176, 178...