1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Hat der Gerichtsvollzieher die nach dem Inhalt des Titels zu vollstreckende Forderung entweder im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben oder hat der Schuldner dieselbe freiwillig geleistet, ist der Titel verbraucht und der Schuldner soll nun sicher sein, dass er nicht erneut im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird. Weil schließlich die vollstreckbare Ausfertigung den Gerichtsvollzieher zur Betreibung im Wege der Zwangsvollstreckung legitimiert, kann der Schuldner vor der (erneuten) Zwangsvollstreckung sicher sein, wenn er selbst im Besitze der vollstreckbaren Ausfertigung ist. Er kann dann im Rahmen der Anhörung nach § 733 Abs. 1 ZPO verhindern, dass dem Gläubiger eine (weitere) vollstreckbare Ausfertigung (erneut) erteilt wird. Deshalb verpflichtet die Vorschrift den Gerichtsvollzieher zunächst, nach Empfang der geschuldeten Leistung die vollstreckbare Ausfertigung an den Schuldner "auszuliefern" (Abs. 1). Die Quittung, zu deren Erteilung der Gerichtsvollzieher ebenfalls durch Abs. 1 verpflichtet wird, ist eine öffentliche Urkunde i. S. von § 418 ZPO und kann vom Schuldner nach § 775 Nr. 4 ZPO vorgelegt werden, auch wenn die Leistung freiwillig (§ 754 ZPO) erbracht wurde.
Rz. 2
Die Bestimmung gilt nur für die Entgegennahme von Leistungen durch den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Sie findet keine Anwendung, wenn der Schuldner Leistungen außerhalb der Zwangsvollstreckung ohne die Anwesenheit des Gerichtsvollziehers direkt an den Gläubiger erbringt (LG Limburg, DGVZ 2011, 114; BeckOK/ZPO-Ulrici, § 757 Rn. 1). Abs. 1 gilt unabhängig davon, ob durch die vereinnahmten Beträge die Erfüllung der Schuld nach materiellem Recht eintritt oder ob auf einen nur vorläufig vollstreckbaren Titel ausschließlich unter dem Druck der Zwangsvollstreckung und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei einer späteren Abänderung des Titels geleistet wird. Die erteilte Quittung sagt deshalb nichts darüber aus, ob der Gläubiger wegen seiner Forderung materiell-rechtlich befriedigt ist und die Schuld endgültig erloschen ist. Deshalb kann der Schuldner vom Gläubiger (persönlich) auch immer eine Quittung nach § 368 BGB verlangen (Abs. 2). Dieser Anspruch allerdings entsteht nur im Falle der Erfüllung oder Leistung an Erfüllung statt (LG Stuttgart, MDR 1971, 843), hat lediglich die Beweiskraft des § 416 ZPO und setzt dementsprechend die Prüfung des materiellen Rechts voraus. Im Vollstreckungsverfahren nach der AO besteht keine dem § 757 ZPO vergleichbare Pflicht zur Vorlage bzw. Herausgabe des Vollstreckungstitels (BFH/NV 2009, 1077, FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 30.4.2008, 3 K 5420/04 B).
2 Auslieferung der vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner
Rz. 3
Der Gerichtsvollzieher hat die vollstreckbare Ausfertigung an den Schuldner herauszugeben, sobald er die Leistung erhalten hat, die der im Titel festgestellten Verbindlichkeit des Schuldners in vollem Umfange genügt. (Nur) durch eine vollständige Leistung des Schuldners wird der Titel verbraucht und darf nicht mehr gegen den Schuldner vollstreckt werden (LG Limburg, DGVZ 2011, 114; MünchKomm/ZPO-Heßler, § 757 Rn. 8). Dabei hat der Gerichtsvollzieher selbstständig zu prüfen, ob sich die vollstreckbare Ausfertigung vollständig als Vollstreckungsgrundlage erledigt hat. Er hat insoweit auch zu berücksichtigen, inwieweit Nebenforderungen (Vollstreckungskosten) auf der Grundlage der nämlichen vollstreckbaren Ausfertigung vollstreckt werden können. Gibt er ihn zurück, obwohl nicht vollständig befriedigt ist, kann der Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung nach § 733 ZPO beantragen. Die Ablieferung der Leistung (eines Erlöses) an den Gläubiger ist nicht abzuwarten. Schuldtitel, die ohne Vollstreckungsklausel vollstreckt werden, brauchen nicht herausgegeben zu werden; eine Ausnahme gilt für die Ausfertigung eines Vollstreckungsbescheids ohne Klausel (§ 796 Abs. 1 ZPO), der dem Schuldner – nach Leistung, versteht sich – auszuhändigen ist, da hier die Gefahr der erneuten Zwangsvollstreckung droht (MünchKomm/ZPO-Heßler, § 757 Rn. 6). Einfache Ausfertigungen und elektronische Dokumente (vgl. § 754a Abs. 1 Nr. 3 ZPO; BT-Drucks. 18/7560 S. 35) werden dagegen nicht erfasst. Aus der Natur der Sache folgt, dass abweichend von der regulären Erteilung eines Vollstreckungsauftrags unter Übergabe einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids dem Schuldner nach vollständiger Erledigung des Vollstreckungsauftrags in elektronischer Form nicht der Vollstreckungsbescheid auszuhändigen ist und Teilzahlungen auch nicht auf dem Vollstreckungsbescheid zu vermerken sind. Anders, wenn im Rahmen von § 754a Abs. 2 eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nachgereicht wurde (BeckOK/ZPO-Ulrici, § 754a Rn. 23). Der Gerichtsvollzieher hat sich vor der Herausgabe des Titels von der Vollständigkeit der empfangenen Leistung zu vergewissern. Im Zweifel, insbesondere bei der Vollstreckung einer Restschuld, hat er beim Gläubiger Rückfrage zu halten. Bezeichnet allerdings der Gläubiger den von ihm im Vollstreckungsauftrag v...