1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Bestimmung bildet die gesetzliche Grundlage für Zwangseingriffe des Gerichtsvollziehers in die Rechtssphäre des Schuldners (nicht eines Dritten [LG Bochum, DGVZ 1990, 73]), die durch den Zweck der Zwangsvollstreckung geboten sind, wenn der Schuldner nicht freiwillig leisten und auch die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nicht freiwillig geschehen lassen will. Erfasst werden dabei nur Vollstreckungsmaßnahmen, die im Rahmen einer rechtmäßigen Zwangsvollstreckung erfolgen und wenn bei einer Wohnung die ggf. erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung vorliegt. Die Vollstreckungsmaßnahmen müssen stets erforderlich sein, den zu vollstreckenden Anspruch zu realisieren bzw. zu sichern. Erforderlich ist eine Vollstreckungsmaßnahme, wenn sie die beabsichtigte Vollstreckung oder Sicherung des Anspruchs fördern kann und kein gleich effektives und milderes Mittel zur Verfügung steht (LG Leipzig, DGVZ 2019, 85). § 758 ZPO beschränkt die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nicht auf die Wohnung des Schuldners. Der Gerichtsvollzieher darf überall dort vollstrecken, wo er den Schuldner antrifft oder Sachen vorfindet, die in dessen Gewahrsam stehen. Weitere Einzelheiten, die die sehr allgemein gehaltene Vorschrift ergänzen, enthält die GVGA. Selbstverständlich ist, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen müssen.
Rz. 2
. Während sich aus § 758 ZPO die Eingriffsbefugnisse des Gerichtsvollziehers zur Durchsuchung, einschließlich der notwendigen Öffnung von Türen und Verhältnissen, sowie zur Gewaltanwendung ergibt, macht § 758a ZPO im Lichte von Art. 13 Abs. 2 GG die Durchsuchung der Wohnung von einer richterlichen Anordnung abhängig und stellt in § 758a Abs. 3 ZPO klar, dass auch Dritte zur Duldung rechtmäßiger Handlungen verpflichtet sind. Die §§ 758, 758a ZPO gelten für jegliches Tätigwerden des Gerichtsvollziehers im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach den Bestimmungen der ZPO einschließlich der Vollziehung von Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes (MüKoZPO/Heßler, § 758 Rn. 2).
2 Begriff der Wohnung und Durchsuchung
Rz. 3
Für § 758 ZPO ist die weite Auslegung des Begriffs der Wohnung, wie ihn das BVerfG zu Art. 13 GG geprägt hat, zu übernehmen. Danach sind "Wohnung" alle Räumlichkeiten, die den häuslichen oder beruflichen Zwecken ihres Inhabers dienen. Darunter fallen auch Arbeits-, Betriebs-, Büro-, Personalaufenthalts- und sonstige Geschäftsräume, selbst dann, wenn der Inhaber dieser Räume eine Handelsgesellschaft oder juristische Person ist (BVerfGE 32, 54; 44, 353; LG München, NJW 1983, 2390; HansOLG Hamburg, NJW 1984, 2898). Dabei gilt der Schutz des Art. 13 GG für alle Räumlichkeiten, die der Schuldner erkennbar der allgemeinen Zugänglichkeit entzogen, als sein befriedetes Besitztum ausgewiesen hat. Schließlich ist es für den Begriff der Wohnung unerheblich, ob der Schuldner die Räume intensiv nutzt oder sich nur zu bestimmten Zeiten (z. B. Ferien- oder Zweitwohnung) in ihnen aufhält.
Rz. 4
Durchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen des Gerichtsvollziehers in Räumen, um pfändbare oder herauszugebende Gegenstände aufzuspüren, die der Inhaber der Wohnung freiwillig nicht herausgeben will (BVerfGE 51, 97; 76, 83). Das Betreten der Wohnung allein ist noch keine Durchsuchung; es fehlt das weiter notwendige Element der Vornahme von Handlungen (vgl. auch §§ 61, 62 GVGA). Ist der Schuldner auf Grund einer einstweiligen Verfügung verpflichtet, den Ausbau des Gaszählers zwecks Einstellung der Gasversorgung zu dulden, geht es mangels eines Eingriffs in die Geheimsphäre des Schuldners nicht um eine Durchsuchung i. S. d. Art. 13 Abs. 2 GG, §§ 758, 758a ZPO (BGH, WuM 2006, 632 = CuR 2006, 132). Zur Vollstreckung der einstweiligen Verfügung bedarf es daher im Hinblick auf das bereits titulierte Zutrittsrecht des Gläubigers einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nicht (AG Montabaur, DGVZ 2008, 121). Anderseits wird bei Duldungstiteln im Sinne des § 892 ZPO eine richterliche Durchsuchungsanordnung ausdrücklich nicht verlangt (LG Koblenz, DGVZ 2008, 119; LG Potsdam, DGVZ 2006, 59; LG Dessau, DGVZ 2006, 59).
3 Voraussetzungen der Durchsuchung
Rz. 5
Willigt der Schuldner zur Durchsuchung (Abs. 1) und/oder Öffnung von Behältnissen (Abs. 2) ein, dann bedarf es keiner Durchsuchungsanordnung nach § 758a ZPO. Die Einwilligung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Sie ist jederzeit widerruflich und gilt nur für die jeweils vom Gerichtsvollzieher vorzunehmende Durchsuchung. Bei einer erneuten Durchsuchung ist sie erneut einzuholen. Bei der gleichzeitigen Pfändung für mehrere Gläubiger muss das Einverständnis gegenüber allen Gläubigern wirksam sein. Der Schuldner kann hier nicht die Durchsuchung lediglich zugunsten eines bestimmten Gläubigers gestatten, anderen Gläubigern gegenüber aber ablehnen. Das würde die Möglichkeit der Rangmanipulation eröffnen (MünchKomm/ZPO-Heßler, § 758 Rn. 50). Ist der Schuldner abwesend, können mitwohnende Familienangehörige oder sonst Bevollmächtigte die Einwilligung für den Schuldner wirksam abgeben (LG Düsseldorf, DGVZ 19...