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Mit der Erinnerung nach § 766 ZPO (sog. Vollstreckungserinnerung) können die an der Zwangsvollstreckung Beteiligten die Verletzung von Vorschriften über die formellen Voraussetzungen und über die eigentliche Durchführung der Zwangsvollstreckung geltend machen. Sie ist statthaft gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren, also gegen konkrete Maßnahmen in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung (BGH NJW 2013, 1076 = Rpfleger 2013, 554). Sie dient dagegen nicht dazu, abstrakt im Vorfeld Streitfragen zu klären, die im Verlauf des weiteren Vollstreckungsverfahrens möglicherweise noch belangreich werden können (LG Berlin, DGVZ 2011, 172 = JurBüro 2011, 495). Nach Abs. 1 entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Gleiches gilt nach Abs. 2, wenn der Gerichtsvollzieher sich weigert, den Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder auftragsgemäß durchzuführen, oder wenn Einwendungen gegen die vom Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten erhoben werden (LG Arnsberg, NJW-RR 2018, 1404). Die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO erfasst nicht den Fall, dass der Gerichtsvollzieher untätig bleibt oder die Erledigung des Auftrags lediglich verzögert. Hier liegt kein Verfahrensfehler im Sinne von § 766 Abs. 2 ZPO vor, sondern allenfalls ein Verstoß gegen Amtspflichten des Gerichtsvollziehers (hier: § 6 GVGA), die mit der Dienstaufsichtsbeschwerde zu beanstanden sind (AG Pfaffenhofen, Beschluss v. 11.8.2020, 5 M 342/20, juris).Gegenstand der Erinnerung sind damit zunächst Handlungen und Unterlassungen des Gerichtsvollziehers. Aber nur Abs. 2, nicht Abs. 1 beschränkt die Kontrolle auf den Gerichtsvollzieher. Die Erinnerung betrifft Einwendungen gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsgerichts (§ 764 ZPO) und gegen das vom Gerichtsvollzieher im Rahmen der Vollstreckung zu beobachtende Verfahren. Gegenstand der Nachprüfung sind nur Verfahrensfehler. Die Erinnerung führt zur Überprüfung der Angelegenheit in derselben Instanz. Sie hat damit keinen Devolutiveffekt und ist ein Rechtsbehelf eigener Art.

Mit der Erinnerung können keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den durch den Vollstreckungstitel rechtskräftig zuerkannten Anspruch geltend gemacht werden (vgl. BGH, JurBüro 2009, 442; BGH, NJW- RR 2010, 281). Die Vollstreckungsorgane sind wegen der Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren nicht befugt, den Vollstreckungstitel einer materiell-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen (BGH, NJW 1994, 460, NJW 2009, 1887). Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO gehören zu den Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und können bei einer unangemessenen Dauer einen Entschädigungsanspruch begründen (KG Berlin, Beschluss v. 11.6.2021, 7 EK 13/19, juris).

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