Rz. 12
Einwendungen, die den im Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, kann der Schuldner im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend machen. Von der Erinnerung unterscheidet sich die Vollstreckungsgegenklage also dadurch, dass mit ihr materiell-rechtliche Einwendungen geltend gemacht werden, die den Titel selbst betreffen. § 766 ZPO dagegen betrifft nur verfahrensrechtliche Einwendungen (AG Leipzig, ZVI 2011, 300 = ZinsO 2011, 350 = ZIP 2011, 2210 betreffend den Einwand des Schuldners, er sei nach Planerfüllung gemäß § 227 Abs. 1 InsO von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit; AG Bremen, Beschluss v. 11.7.2011, 507 IN 12/11; AG Duisburg, Beschluss v. 11.10.2011, 64 IN 16/11). Ob der Titelgläubiger noch materiell Inhaber des geltend gemachten Anspruchs und hierdurch vollstreckungsbefugt ist, ist im Zwangsvollstreckungsverfahren mangels Prüfungsbefugnis des Vollstreckungsorgans nicht zu prüfen, wenn der Gläubiger als Partei des Zwangsvollstreckungsverfahrens mit dem Gläubiger identisch ist, für den der titulierte Anspruch durchgesetzt werden soll (AG Hoyerswerda, DGVZ 2021, 71). Im formalen Vollstreckungsverfahren können Einwendungen, die sich gegen die materielle Berechtigung der Forderung ergeben, die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegt, nur im Rahmen des § 775 ZPO berücksichtigt werden (AG Düsseldorf v. 7.5.2013, 667 M 661/13, Juris). Beide "Rechtsbehelfe" können unabhängig voneinander geltend gemacht werden, wenn neben formellen Einwendungen auch solche gegen den titulierten Anspruch selbst erhoben werden. Nur im Ausnahmefall kann es zu Überschneidungen beider Rechtsbehelfe kommen, wenn nämlich materiell-rechtliche Gesichtspunkte auch für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens von Bedeutung sind und vom Vollstreckungsorgan beachtet werden müssen. Das kann bei sog. Vollstreckungsverträgen der Fall sein. Vollstreckungsmaßnahmen eines Gläubigers, die gegen das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung gemäß § 89 InsO bzw. § 294 Abs. 1 InsO ergehen, können dagegen nur mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen, also der Erinnerung nach § 766 ZPO – über die das Insolvenzgericht zu entscheiden hat – angefochten werden (AG Hannover, ZInsO 2021, 336; OLG Köln, Rpfleger 2010, 529). In diesen Fällen wird das Insolvenzgericht im Verfahren nach § 89 Abs. 3 ZPO als besonderes Vollstreckungsgericht tätig. Gerichtsintern ist gem. § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG der Richter als besonderer Vollstreckungsrichter zuständig, da es sich bei § 89 Abs. 3 InsO im Falle der Vollstreckung nach den Vorschriften der ZPO um eine Erinnerung i. S. d. § 766 ZPO handelt. Zuvor hat jedoch der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts als besonderer Vollstreckungsrechtspfleger über eine Abhilfe zu entscheiden (AG Hamburg, ZVI 2020, 445). Ist das Insolvenzverfahren aufgehoben, scheidet die Anwendbarkeit des § 89 Abs. 3 InsO aus und ist das Vollstreckungsgericht zuständig (LG Hamburg, ZinsO 2009, 1707). Liegt ein Titel auf Zahlung von Unterhalt an ein minderjähriges Kind vor, der vom sorgeberechtigten Elternteil aufgrund der diesem zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht erwirkt und vollstreckt wurde, kann der Schuldner einer weiteren Vollstreckung durch diesen Elternteil die Volljährigkeit des Kindes nicht im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO, sondern – im Hinblick auf den Wegfall der gesetzlichen Vertretungsmacht – nur mit einer Erinnerung nach § 766 ZPO entgegenhalten (OLG Nürnberg, MDR 2010, 576 = FamRZ 2010, 1010; für den Wegfall der Vertretung ebenfalls: OLGR Koblenz 2007, 666). Einwände gegen die Vollstreckung einer Geldbuße nach § 204 Abs. 3 Satz 1 BRAO sind je nach der Art des Einwands im Wege der Erinnerung an das Vollstreckungsgericht (§ 766 ZPO) oder der Vollstreckungsgegenklage an das Prozessgericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 767 ZPO) geltend zu machen (BGH, NJW-RR 2009, 1581 = BRAK-Mitt 2009, 177). Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangenen Urteil könne wegen Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckt werden, kann nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgt werden (BGH, NJW 2008, 2219 = DGVZ 2009, 39 = MDR 2009, 108). Ist dem Gläubiger vor Erteilung der Restschuldbefreiung ein vollstreckbarer Tabellenauszug erteilt worden, kann sich der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung mit der Vollstreckungserinnerung wenden und muss sich nicht auf die Vollstreckungsgegenklage verweisen lassen (AG Göttingen, ZinsO 2008, 1036 = ZVI 2008, 447). Vollstreckt ein Neumassegläubiger i. S. d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO in die Masse, so kann sich der Insolvenzverwalter hiergegen nicht mit der Erinnerung gemäß § 89 Abs. 3 InsO, § 766 ZPO zur Wehr setzen. Statthaft ist vielmehr ausschließlich eine beim Prozessgericht einzulegende Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO (AG Hamburg, ZinsO 2007, 830)
Geeigneter Rechtsbehelf
Der Schuldner kann die Aufhebung einer Pfändung nicht im Wege der Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) unter Berufung auf eine...