Rz. 22

Auch die Erinnerung führt zu einer Überprüfung des Verfahrens auf Rüge einer Person. Im Gegensatz zu den Rechtsmitteln ist hier – statt der Beschwer – die Erinnerungsbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung. Sie kann mit der Klagebefugnis des § 42 VwGO verglichen werden. Erinnerungsbefugt ist, wer nach seinem eigenen Vortrag durch die angefochtene Vollstreckungsmaßnahme oder durch die Weigerung, eine solche antragsgemäß durchzuführen, in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

4.1 Gläubiger

 

Rz. 23

Die Erinnerungsbefugnis des Gläubigers ist immer dann gegeben, wenn sein Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen oder die Zwangsvollstreckung nicht auftragsgemäß durchgeführt wird (§ 766 Abs. 2 ZPO). Das wird fast ausschließlich bei der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher der Fall sein, da die teilweise oder vollständige Ablehnung einer beantragten Maßnahme durch das Vollstreckungsgericht als Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 793 ZPO) anzufechten ist. Eine nicht auftragsgemäße Vornahme einer Vollstreckungshandlung liegt dann vor, wenn der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan eine bindende Weisung des Gläubigers missachtet.

4.2 Schuldner

 

Rz. 24

Die Erinnerungsbefugnis des Schuldners ist meist unproblematisch. Er wird praktisch von jeder gegen ihn gerichteten Maßnahme der Zwangsvollstreckung in seiner Rechtsstellung betroffen. Daher ist er grundsätzlich zur Geltendmachung aller Verfahrensmängel befugt. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die nämliche Verfahrensvorschrift, deren Verletzung gerügt wird, ausschließlich dem Schutz eines Dritten dient (z. B. dass entgegen § 809 ZPO bei einem nicht zur Herausgabe bereiten Dritten gepfändet worden sei).

4.3 Dritte

 

Rz. 25

Auch Dritte, die weder als Schuldner noch als Gläubiger am Verfahren der Zwangsvollstreckung beteiligt sind, können durch die Zwangsvollstreckung in ihren Rechten in mannigfacher Weise verletzt oder beeinträchtigt werden. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass die Verfahrensvorschrift, deren Verletzung gerügt wird, den Dritten – zumindest auch – zu schützen bestimmt ist. Der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Menschenwürde gebietet es nicht, auch demjenigen, der von einer Maßnahme selbst nicht betroffen ist, ein Rechtsmittel gegen die Maßnahme zu gewähren, wenn er neben dem Betroffenen Einwendungen erheben möchte (OLG Köln, OLGZ 1993, 113). Der Vermieter kann im Fall einer gegen den Mieter gerichteten Herausgabevollstreckung eines Dritten ein Vermieterpfandrecht an der Sache, die Gegenstand der Herausgabevollstreckung ist, nicht mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen (BGH, NJW-RR 2010, 281 = MDR 2009, 1415), da er nicht selbst beschwert ist. Die Landeskasse ist befugt, Erinnerung gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers gem. § 766 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG einzulegen. Grund: Der Rechtsbehelf betreffend die Kosten, die der Gerichtsvollzieher für Maßnahmen der Zwangsvollstreckung erhebt, steht sowohl dem Kostenschuldner als auch der Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor zu (LG Arnsberg, NJW-RR 2018, 1407).

4.3.1 "Erinnerungsbefugnis ähnlich dem Schuldner"

 

Rz. 26

Dritte können betroffen sein:

  • bei ihrer Inanspruchnahme als Schuldner bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung, obwohl der Titel sich nicht gegen sie richtet. Sie können sich in diesem Verfahren nicht nur auf das Fehlen eines Titels als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung berufen, sondern auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, auf die sich auch der (richtige) Schuldner berufen könnte (ThürOLG, InVo 1996, 304);
  • wenn sie die Zwangsvollstreckung kraft gesetzlicher Bestimmungen (§ 740 Abs. 1, § 741, § 745 Abs. 1, § 748 Abs. 1 ZPO) wie der Schuldner dulden müssen, ohne mit der Drittwiderspruchsklage die Inanspruchnahme ihres Vermögens abwehren zu können, obwohl sich der Titel nicht unmittelbar gegen sie richtet;
  • auch der Drittschuldner ist hinsichtlich aller Verfahrensnormen betroffen und damit zur Erinnerung befugt (OLG München, JurBüro 1982, 1417);
  • nachrangige Gläubiger, die durch die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme ihrerseits einen besseren Rang am Gegenstand der Zwangsvollstreckung erwerben würden, können alle Verfahrensfehler rügen, die zur Aufhebung der Beschlagnahme führen und ihnen so einen besseren Rang verschaffen würden.

4.3.2 Eingeschränkte Erinnerungsbefugnis

 

Rz. 27

Über die vorgenannten Fälle hinaus können Dritte nur eingeschränkt erinnerungsbefugt sein, nämlich dann, wenn Verfahrensvorschriften verletzt sind, die (auch) zu ihrem Schutz dienen:

  • Der nicht zur Herausgabe bereite Dritte (§ 809 ZPO) kann einen Verstoß gegen § 809 ZPO mit der Erinnerung rügen.
  • Gegen die Pfändung "evidenten" Dritteigentums hat der Dritte nicht nur die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO, sondern kann sich insoweit auch mit der Erinnerung gegen die Pfändung zur Wehr setzen.
  • Wegen der Geltendmachung von Verstößen gegen Pfändungsverbote und -beschränkungen (§§ 811, 850 ff. ZPO) können diejenigen Dritten die Erinnerung einlegen, die in den "Schutzbereich" dieser Bestimmungen einbezogen s...

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