Rz. 25
Auch Dritte, die weder als Schuldner noch als Gläubiger am Verfahren der Zwangsvollstreckung beteiligt sind, können durch die Zwangsvollstreckung in ihren Rechten in mannigfacher Weise verletzt oder beeinträchtigt werden. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass die Verfahrensvorschrift, deren Verletzung gerügt wird, den Dritten – zumindest auch – zu schützen bestimmt ist. Der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Menschenwürde gebietet es nicht, auch demjenigen, der von einer Maßnahme selbst nicht betroffen ist, ein Rechtsmittel gegen die Maßnahme zu gewähren, wenn er neben dem Betroffenen Einwendungen erheben möchte (OLG Köln, OLGZ 1993, 113). Der Vermieter kann im Fall einer gegen den Mieter gerichteten Herausgabevollstreckung eines Dritten ein Vermieterpfandrecht an der Sache, die Gegenstand der Herausgabevollstreckung ist, nicht mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen (BGH, NJW-RR 2010, 281 = MDR 2009, 1415), da er nicht selbst beschwert ist. Die Landeskasse ist befugt, Erinnerung gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers gem. § 766 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG einzulegen. Grund: Der Rechtsbehelf betreffend die Kosten, die der Gerichtsvollzieher für Maßnahmen der Zwangsvollstreckung erhebt, steht sowohl dem Kostenschuldner als auch der Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor zu (LG Arnsberg, NJW-RR 2018, 1407).
4.3.1 "Erinnerungsbefugnis ähnlich dem Schuldner"
Rz. 26
Dritte können betroffen sein:
- bei ihrer Inanspruchnahme als Schuldner bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung, obwohl der Titel sich nicht gegen sie richtet. Sie können sich in diesem Verfahren nicht nur auf das Fehlen eines Titels als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung berufen, sondern auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, auf die sich auch der (richtige) Schuldner berufen könnte (ThürOLG, InVo 1996, 304);
- wenn sie die Zwangsvollstreckung kraft gesetzlicher Bestimmungen (§ 740 Abs. 1, § 741, § 745 Abs. 1, § 748 Abs. 1 ZPO) wie der Schuldner dulden müssen, ohne mit der Drittwiderspruchsklage die Inanspruchnahme ihres Vermögens abwehren zu können, obwohl sich der Titel nicht unmittelbar gegen sie richtet;
- auch der Drittschuldner ist hinsichtlich aller Verfahrensnormen betroffen und damit zur Erinnerung befugt (OLG München, JurBüro 1982, 1417);
- nachrangige Gläubiger, die durch die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme ihrerseits einen besseren Rang am Gegenstand der Zwangsvollstreckung erwerben würden, können alle Verfahrensfehler rügen, die zur Aufhebung der Beschlagnahme führen und ihnen so einen besseren Rang verschaffen würden.
4.3.2 Eingeschränkte Erinnerungsbefugnis
Rz. 27
Über die vorgenannten Fälle hinaus können Dritte nur eingeschränkt erinnerungsbefugt sein, nämlich dann, wenn Verfahrensvorschriften verletzt sind, die (auch) zu ihrem Schutz dienen:
- Der nicht zur Herausgabe bereite Dritte (§ 809 ZPO) kann einen Verstoß gegen § 809 ZPO mit der Erinnerung rügen.
- Gegen die Pfändung "evidenten" Dritteigentums hat der Dritte nicht nur die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO, sondern kann sich insoweit auch mit der Erinnerung gegen die Pfändung zur Wehr setzen.
- Wegen der Geltendmachung von Verstößen gegen Pfändungsverbote und -beschränkungen (§§ 811, 850 ff. ZPO) können diejenigen Dritten die Erinnerung einlegen, die in den "Schutzbereich" dieser Bestimmungen einbezogen sind (Familienmitglieder, Unterhaltsgläubiger, Ehegatten).
- Bei der Pfändung von Zubehör unter Verstoß gegen § 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO oder von Früchten auf dem Halm vor der Pfandreife unter Verstoß gegen § 810 Abs. 1 ZPO können (neben dem Schuldner) auch die Grundpfandgläubiger Erinnerung einlegen.
- Zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 778 Abs. 1 ZPO (Vollstreckung seitens des Nachlassgläubigers in das Eigenvermögen des Erben vor Annahme der Erbschaft) sind neben dem Schuldner auch seine persönlichen Gläubiger erinnerungsbefugt, da ihre Haftungsmasse geschmälert würde; im umgekehrten Fall, dass ein persönlicher Gläubiger des Erben in den Nachlass vollstreckt (Verstoß gegen § 778 Abs. 2 ZPO), sind die Nachlassgläubiger befugt.
- Gegen die Vollstreckung in die Insolvenzmasse unter Verstoß gegen § 89 InsO können sich der Insolvenzverwalter und die Insolvenzgläubiger mit der Erinnerung gemäß § 766 ZPO wenden (AG Hannover, ZInsO 2021, 336; ZInsO 2020, 2155); der Insolvenzschuldner ist nur dann erinnerungsbefugt, wenn die Eigenverwaltung angeordnet ist oder die Vollstreckung in das insolvenzbeschlagfreie Vermögen stattfindet (AG Hannover a. a. O.).Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO entscheidet über diese Erinnerung aber nicht das Vollstreckungs-, sondern das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht (AG Hannover, a. a. O.).
- Gegen die Pfändung eines Grabsteins können sich auch diejenigen Angehörigen wenden, die nicht Schuldner sind, wenn sie in ihrem Recht auf Bestimmung über die Grabgestaltung verletzt sind (OLG Köln, OLGZ 1993, 113).
- Der Gerichtsvollzieher ist im Allgemeinen weder erinnerungs- noch beschwerdeberechtigt, soweit es sich um seine Amtshandlungen als Vollstrecku...