5.1 Antrag
Rz. 28
Die Erinnerung setzt einen Antrag an das Gericht voraus, der nicht fristgebunden ist. Allerdings kann sie grundsätzlich nur in der Zeit zwischen dem Beginn und der Beendigung der Zwangsvollstreckung eingelegt werden, weil es ansonsten am Rechtsschutzinteresse (siehe unten Rn. 32) fehlt (zum Beginn der Zwangsvollstreckung vgl. LG Berlin, DGVZ 1991, 9; zum Ende der Zwangsvollstreckung vgl. OLG Hamm, WuM 1993, 474; zur Fortdauerwirkung der fruchtlosen Pfändung vgl. LG Düsseldorf, DGVZ 1985, 152). Auch bedarf er keiner besonderen Form. Er kann schriftlich (entsprechend § 569 Abs. 2 ZPO) oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gestellt werden. Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 Abs. 3 ZPO). Eine Vollmacht ist nach den allgemeinen Grundsätzen nachzuweisen (§ 88 Abs. 2 ZPO). Es ist auch kein bestimmter Antrag erforderlich. Es reicht aus, wenn erkennbar ist, welche konkrete Vollstreckungsmaßnahme gerügt ist (OLG Düsseldorf, FamRZ 1984, 727). Im Übrigen müssen die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen gegeben sein. Nach dem im Verfahren der Erinnerung gemäß § 766 ZPO maßgeblichen Beibringungsgrundsatz ist der Tatsachenstoff nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast von den Parteien beizubringen und gegebenenfalls zu beweisen. Es ist deshalb grundsätzlich Sache des Schuldners, solche Einwendungen substantiiert vorzubringen, die eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme unzulässig machen. Das Vollstreckungsgericht muss zwar von Amts wegen Umstände berücksichtigen, die ihm bekannt sind. Zu weiteren Nachforschungen ist es dagegen nicht verpflichtet (BGH, MDR 2019, 58). Das Erinnerungsverfahren wird im Grundsatz als kontradiktorisches Zwei-Parteien-Verfahren zwischen dem Erinnerungsführer und -gegner geführt (BeckOK/ZPO-Preuß, § 766 Rn. 35). Der Ablauf des Verfahrens orientiert sich an den allgemeinen Grundsätzen des zivilprozessualen Verfahrens (BGH a. a. O.).
5.2 Zuständigkeit
Rz. 29
Zuständig für die Entscheidung ist das Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) und im Falle des § 930 Abs. 1 Satz 3 ZPO das Arrestgericht (OLG Frankfurt/Main, Rpfleger 1980, 485). Die Zuständigkeit ist ausschließlich (§ 802 ZPO). Erlässt das Beschwerdegericht im Verfahren nach § 793 ZPO (auf Antrag und sofortige Beschwerde des Gläubigers hin und ohne die Anhörung des Schuldners) einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, so entscheidet es – ausnahmsweise als Vollstreckungsgericht – auch über die hiergegen eingelegte Erinnerung (OLG Hamm, MDR 1975, 938). Werden Mängel der Vorpfändung (§ 845 ZPO) geltend gemacht, richtet sich die Zuständigkeit für das Erinnerungsverfahren nach § 828 ZPO. Zuständig ist mithin gem. § 828 Abs. 2 ZPO das Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (OLG, Hamm FoVo 2011, 173). Zuständig zur Entscheidung über die Erinnerung nach § 766 ZPO i. V. m. § 148 Abs. 2 Satz 2 InsO ist der Richter des Insolvenz- und nicht des Vollstreckungsgerichts (AG Göttingen, Rpfleger 2011, 457 = ZinsO 2011, 1659). Zuständig für die Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen die in § 88 InsO normierte sog. Rückschlagsperre ist nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Insolvenzgericht. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 89 Abs. 3 InsO; dabei ist gerichtsintern im eröffneten Verfahren nicht der Rechtspfleger, sondern gem. § 20 Nr. 17 RPflG der Richter zuständig (AG Hamburg, ZIP 2014, 1401 = ZVI 2014, 301).
Rz. 30
Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts trifft der Richter (§ 20 Nr. 17 RPflG). Der Gerichtsvollzieher ist nur beschränkt zur Abhilfe befugt. Nur in den Fällen des Abs. 2 kann er auf die Erinnerung des Gläubigers hin die zunächst abgelehnte Vollstreckungsmaßnahme doch vornehmen oder seinen Kostenansatz nach unten hin korrigieren. Er kann indes keine Pfändungsmaßnahmen aufheben oder die Zwangsvollstreckung einstweilen einstellen.
Rz. 31
Das Vollstreckungsgericht prüft von Amts wegen die Zulässigkeit und die Begründetheit der Erinnerung. Die mündliche Verhandlung ist dabei freigestellt (§ 764 Abs. 3 ZPO). Über streitige Tatsachen ist Beweis zu erheben. Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ist nicht vorgesehen, weshalb die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung grundsätzlich nicht ausreichend ist. Für den Beweis gelten die Regeln des Erkenntnisverfahrens entsprechend.
5.3 Rechtsschutzinteresse
Rz. 32
Ein Rechtsschutzinteresse für die eingelegte Erinnerung ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Zwangsvollstreckung begonnen hat und noch nicht beendet ist (BGH, NZI 2010, 118). Ist sie beendet, fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungserinnerung (LG Gießen, Beschluss v. 9.7.2020, 7 T 164/20, juris; BGH, NJW-RR 2010, 785 = MDR 2010, 106; BGH MDR 2005, 648). Ausnahmsweise kann die Erinnerung gegen eine bevorstehende Vollstreckungsmaßnahme eingelegt werden: bei der drohenden Räumungsvollstreckung und dem drohenden Haftbefehl, wenn ein anderweitiger Rechtsschutz nicht möglich ist (OLG Hamm, DGVZ 1983, 137; KG, ZIP 1983, 497). Die Zwangsvollstreckung beg...