6.1 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
Rz. 38
Die Erinnerung ist dann begründet, wenn die angefochtene Maßnahme der Zwangsvollstreckung durchgeführt wurde, obwohl eine oder mehrere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung fehlten:
Rz. 39
Es fehlten allgemeine Prozessvoraussetzungen, z. B. ein wirksamer Antrag, die Vollstreckung wurde nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan durchgeführt, das Rechtsschutzbedürfnis, die Partei- und Prozessfähigkeit Beteiligter.
Rz. 40
Es fehlten allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, z. B. ein Titel, aus dem sich Gläubiger und Schuldner ergeben, ein Titel mit Vollstreckungsklausel (keine Ausnahme), die Zustellung des Titels (keine Ausnahme), der Titel ist nicht auf den Rechtsnachfolger umgeschrieben (BGH, NJW 1992, 2159). Eine aus materiell-rechtlichen Erwägungen folgende Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels kann aber nicht mit der Vollstreckungserinnerung geltend gemacht werden, wenn sich nur nach einer eingehenden materiell-rechtlichen Prüfung die Frage beantworten lässt, ob eine Unterwerfungserklärung eine AGB ist und gegen § 307 BGB verstößt (BGH, JurBüro 2009, 442). Der Einwand des Schuldners, die zur Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung des Gläubigers an dem Investmentfonds erforderlichen Zustimmungen zur Verfügung über den Kommanditistenanteil und die Rechte aus dem Treuhandverhältnis hätten nicht vorgelegen, betrifft nicht die im Vollstreckungsverfahren vom Gerichtsvollzieher zu prüfende Frage, ob der Gläubiger dem Schuldner die im Vollstreckungstitel bezeichnete Gegenleistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Bei der Frage, ob in Bezug auf die Zug-um-Zug-Verurteilung das Angebot des Gläubigers auf Übertragung der Fondsbeteiligung ausreicht und dies auch dann gilt, wenn diese Übertragung von der Zustimmung Dritter abhängig ist, handelt es sich vielmehr um eine materiell-rechtliche Frage, die im Erkenntnisverfahren vom Prozessgericht zu beantworten ist (BGH, NJW 2016, 3455).
Rz. 41
Es lagen besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vor, z. B. die Gegenleistung ist unvollständig (OLG Rostock, OLGZ 31, 91), der Endtermin ist nicht beachtet (HansOLG Hamburg, OLGZ 37, 158), die Sicherheitsleistung ist nicht nachgewiesen und nicht zugestellt (§ 751 Abs. 2 ZPO).
6.2 Durchführung der Zwangsvollstreckung
Rz. 42
Die Erinnerung ist auch begründet, wenn bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Ein solcher liegt vor bei nicht ordnungsgemäßer Pfändung: Führt der Gerichtsvollzieher bei Vornahme der Zwangsvollstreckung die vollstreckbare Ausfertigung nicht bei sich, liegt ein mit der Erinnerung gemäß § 766 ZPO angreifbarer Verfahrensverstoß vor (BGH, MDR 2019, 58). Der Gegenstand der Pfändung muss der Zwangsvollstreckung durch das betreffende Vollstreckungsorgan unterliegen. Das ist z. B. nicht der Fall bei Pfändung von Zubehör (Zöller/Herget, § 766 Rn. 15), bei Verstößen des Gerichtsvollziehers gegen § 865 Abs. 2, § 810 ZPO. Der Gerichtsvollzieher darf nur solche Sachen pfänden, die sich im Gewahrsam des Schuldners oder eines herausgabebereiten Dritten (§ 808 Abs. 1, § 809 ZPO) befinden (LG Frankfurt/Main, NJW-RR 1988, 1215). Eine bewegliche Sache darf der Gerichtsvollzieher nur dann pfänden, wenn sie nicht offensichtlich im Eigentum eines Dritten steht. Der Gerichtsvollzieher muss die Pfändungsverbote beachten (Zöller/Herget, a. a. O.), und er darf nicht – ohne besondere Erlaubnis – zur Unzeit (Nachtzeit und an Sonn- oder Feiertagen) pfänden. Vor der Pfändung muss der Schuldner zur freiwilligen Leistung aufgefordert sein (§ 754 ZPO). Das Verbot der Überpfändung sowie der zwecklosen Pfändung (§ 803 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO) muss beachtet werden (Brandenburgisches OLG, Urteil v. 8.11.2011, 6 U 102/09; Zöller/Herget, a. a. O.). Konnte der Schuldner bisher den Einwand der Übersicherung des Gläubigers im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch nach § 900 Abs. 4 ZPO und nicht mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend machen (BGH, WM 2011, 2135), so ändert sich dies mit der Reform der Sachaufklärung zum 1.1.2013. Nunmehr findet gegen die Anordnung zur Abgabe als Vollstreckungshandlung lediglich die Erinnerung gemäß § 766 ZPO statt. Schließlich muss das Vollstreckungsorgan die richtige Verwertungsart gewählt und zuletzt auch den Erlös ordnungsgemäß ausgekehrt haben. Die Erinnerung ist auch begründet, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach § 88 InsO (sog. Rückschlagsperre) rückwirkend rechtswidrig geworden ist (AG Duisburg, Beschluss v. 11.10.2011, 62 IK 374/10). Die Erinnerung nach § 766 ZPO ist der zutreffende Rechtsbehelf, wenn Mängel der Voraussetzungen der Vorpfändung (§ 845 ZPO) beanstandet werden (BGH, JurBüro 2007, 550; OLG Hamm, FoVo 2011, 173). Gegen die Ablehnung des Gerichtsvollziehers, dem Drittschuldner eine Vorpfändung zuzustellen, findet die Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO statt. Das Verfahren nach §§ 23 EGGVG ist daher nicht eröffnet (OLG Stuttgart, MDR 2021, 770).Ob die Voraussetzungen ...