Rz. 16
Die Drittwiderspruchsklage ist begründet, wenn dem Kläger an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung "ein die Veräußerung hinderndes Recht" zusteht.
5.1 Aktiv- und Passivlegitimation
Rz. 17
Kläger (Dritter) der Drittwiderspruchsklage kann jeder Inhaber eines die Veräußerung hindernden Rechts sein, der nicht Schuldner der Zwangsvollstreckung ist und gegen den aus dem Titel auch nicht vollstreckt werden darf (OLG Hamm, NJW-RR 1987, 585). Ausnahmsweise kann der Schuldner zugleich Dritter sein, wenn er nämlich als Partei kraft Amtes (z. B. als Insolvenzverwalter) verschiedene Vermögensmassen verwaltet und den Vollstreckungszugriff in sein eigenes Vermögen abwenden will.
Rz. 18
Dritter kann z. B. sein:
- der andere Ehegatte, der nach § 1480 BGB mithaftet, gegen den aber kein Titel vorliegt;
- der Erbe vor der Annahme der Erbschaft (§ 778 ZPO) und wenn er nur mit dem Nachlass haftet;
- der Gesellschafter einer OHG, wenn nur ein Urteil gegen die Gesellschaft vorliegt;
- der nicht verurteilte Miterbe (§§ 778, 785 ZPO);
- der Nacherbe;
- der Testamentsvollstrecker bei Vollstreckung in sein Vermögen;
- das Gemeinschaftsmitglied bei der Teilungsversteigerung, das dieselbe aus materiellen Gründen verhindern will (OLG Köln, InVo 2000, 145)
- und die Ein-Mann-GmbH, wenn Gläubiger gegen den Alleingesellschafter die Zwangsvollstreckung betreiben (BGHZ 156, 310).
Rz. 19
Gegenstand der Zwangsvollstreckung kann eine Sache oder ein Recht sein. Die Klage muss sich gegen den richten, der die Zwangsvollstreckung in eigenem Namen, wenn auch für fremde Rechnung, betreibt; bei Gesamtgläubigern (§ 428 BGB) gegen den, der vollstreckt; bei Gesamthandsgläubigern gegen alle zusammen; im Falle des § 126 ZPO gegen den Rechtsanwalt.
Rz. 20
Bestreitet der Schuldner das Recht des Dritten, so kann dieser mit der Klage nach § 771 ZPO die Klage gegen den Schuldner auf Feststellung oder Herausgabe verbinden. Gläubiger und Schuldner sind dann einfache Streitgenossen (§ 771 Abs. 2 ZPO).
5.2 Das die Veräußerung hindernde Recht
Rz. 21
Die Formulierung des Gesetzes ist auf allgemeine Kritik gestoßen, weil die Rechtsordnung ein die Veräußerung hinderndes Recht in dem strengen Wortsinn nicht kennt (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 17). Abgeleitet aus dem Sinn und Zweck der § 771 ZPO ist ein solches Recht dann anzunehmen, wenn der Schuldner selbst, veräußerte er den Gegenstand der Zwangsvollstreckung, widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde und deshalb der Dritte den Schuldner an der Veräußerung hindern könnte (OLG Brandenburg, JurBüro 2008, 47; BGHZ 55, 20, 26; OLG Hamm, NJW 1977, 1159).
Rz. 22
Als "die Veräußerung hindernde Rechte" kommen mithin das Eigentum, andere dingliche Rechte und gegebenenfalls auch relative Rechte in Betracht, wenn sie bewirken, dass der Gegenstand nicht zum Schuldnervermögen gehört (OLG Hamm, a. a. O.). Die Unterscheidung in relative und absolute Rechte ist nicht ausschlaggebend für die Annahme eines die Veräußerung hindernden Rechts im Sinne des § 771 ZPO. Alleiniges Kriterium für die Qualifizierung als Interventionsrecht eines Dritten ist die Zuordnung des Gegenstandes der Zwangsvollstreckung zum Vermögen des Dritten. Schuldrechtliche Ansprüche auf den Gegenstand der Zwangsvollstreckung kommen nach allgemeiner Meinung daher nur in Betracht, soweit es sich um Herausgabeansprüche aus Überlassung von Gegenständen handelt, z. B. aus Miete, Leihe oder Pacht (Zöller/Herget, ZPO, § 771 Rn. 14). Ein Anspruch auf Nutzungsüberlassung ist, wenn Drittwiderspruchskläger und -beklagter Miteigentümer eines Gebäudegrundstücks sind, nicht geeignet, den Miteigentumsanteil der Beklagten dem Vermögen des Klägers zuzuordnen (OLG Stuttgart, v. 11.9.2013, 11 UF 173/13). Eine zu Gunsten des Erwerbers gegenüber dem Bauträger abgegebene Freistellungsverpflichtungserklärung des den Bau (unter Bestellung einer Grundschuld) finanzierenden Kreditinstituts kann ein die Veräußerung hinderndes Recht i. S. d. § 771 Abs. 1 ZPO begründen, aus welchem vom Kreditinstitut als Grundschuldgläubiger dann eine Freistellung der Kaufgrundstücke von einer Mithaftung für eine Gesamtgrundschuld und ein (Teil-)Grundschuldverzicht verlangt werden kann (LG München II, Urteil v. 12.2.2015, 5 O 775/14 Bau – Juris). Nach h. M. ist die Auflassungsvormerkung kein die Zwangsvollstreckung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO, sondern erst das Eigentumsrecht selbst (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, FGPrax 2019, 120; OLG Dresden, NJW-RR 1999, 1177; OLGR Stuttgart 1998, 285; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2007, 87)
Einzelbeispiele:
Rz. 23
Miteigentum; wie das (Allein-)Eigentum (BGH, Rpfleger 2007, 134; LG Köln, Urteil v. 28.6.2007, 37 O 388/07) berechtigt auch das Miteigentum zur Drittwiderspruchsklage (BGH, MDR 2007, 660; OLG Schleswig, FamRZ 1989, 88). Mit der modernen Gesamthandelslehre, die von der rechtlichen Verselbständigung der BGB-Gesellschaft ausgeht, ist es unvereinbar, das Anteilsrecht des Gesellschafters an der Gesamthandgesellschaft als eigenes Recht im Sinne des § 771 ZPO anzusehen (LG Saarbrücken, Urteil v. 13.1.2008 – 9 O 204/08)...