Rz. 21
Die Formulierung des Gesetzes ist auf allgemeine Kritik gestoßen, weil die Rechtsordnung ein die Veräußerung hinderndes Recht in dem strengen Wortsinn nicht kennt (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 771 Rn. 17). Abgeleitet aus dem Sinn und Zweck der § 771 ZPO ist ein solches Recht dann anzunehmen, wenn der Schuldner selbst, veräußerte er den Gegenstand der Zwangsvollstreckung, widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde und deshalb der Dritte den Schuldner an der Veräußerung hindern könnte (OLG Brandenburg, JurBüro 2008, 47; BGHZ 55, 20, 26; OLG Hamm, NJW 1977, 1159).
Rz. 22
Als "die Veräußerung hindernde Rechte" kommen mithin das Eigentum, andere dingliche Rechte und gegebenenfalls auch relative Rechte in Betracht, wenn sie bewirken, dass der Gegenstand nicht zum Schuldnervermögen gehört (OLG Hamm, a. a. O.). Die Unterscheidung in relative und absolute Rechte ist nicht ausschlaggebend für die Annahme eines die Veräußerung hindernden Rechts im Sinne des § 771 ZPO. Alleiniges Kriterium für die Qualifizierung als Interventionsrecht eines Dritten ist die Zuordnung des Gegenstandes der Zwangsvollstreckung zum Vermögen des Dritten. Schuldrechtliche Ansprüche auf den Gegenstand der Zwangsvollstreckung kommen nach allgemeiner Meinung daher nur in Betracht, soweit es sich um Herausgabeansprüche aus Überlassung von Gegenständen handelt, z. B. aus Miete, Leihe oder Pacht (Zöller/Herget, ZPO, § 771 Rn. 14). Ein Anspruch auf Nutzungsüberlassung ist, wenn Drittwiderspruchskläger und -beklagter Miteigentümer eines Gebäudegrundstücks sind, nicht geeignet, den Miteigentumsanteil der Beklagten dem Vermögen des Klägers zuzuordnen (OLG Stuttgart, v. 11.9.2013, 11 UF 173/13). Eine zu Gunsten des Erwerbers gegenüber dem Bauträger abgegebene Freistellungsverpflichtungserklärung des den Bau (unter Bestellung einer Grundschuld) finanzierenden Kreditinstituts kann ein die Veräußerung hinderndes Recht i. S. d. § 771 Abs. 1 ZPO begründen, aus welchem vom Kreditinstitut als Grundschuldgläubiger dann eine Freistellung der Kaufgrundstücke von einer Mithaftung für eine Gesamtgrundschuld und ein (Teil-)Grundschuldverzicht verlangt werden kann (LG München II, Urteil v. 12.2.2015, 5 O 775/14 Bau – Juris). Nach h. M. ist die Auflassungsvormerkung kein die Zwangsvollstreckung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO, sondern erst das Eigentumsrecht selbst (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, FGPrax 2019, 120; OLG Dresden, NJW-RR 1999, 1177; OLGR Stuttgart 1998, 285; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2007, 87)
Einzelbeispiele:
Rz. 23
Miteigentum; wie das (Allein-)Eigentum (BGH, Rpfleger 2007, 134; LG Köln, Urteil v. 28.6.2007, 37 O 388/07) berechtigt auch das Miteigentum zur Drittwiderspruchsklage (BGH, MDR 2007, 660; OLG Schleswig, FamRZ 1989, 88). Mit der modernen Gesamthandelslehre, die von der rechtlichen Verselbständigung der BGB-Gesellschaft ausgeht, ist es unvereinbar, das Anteilsrecht des Gesellschafters an der Gesamthandgesellschaft als eigenes Recht im Sinne des § 771 ZPO anzusehen (LG Saarbrücken, Urteil v. 13.1.2008 – 9 O 204/08). Inhaberschaft an Forderungen (LG Hagen v. 24.10.2013, 4 O 165/08 – Juris). Dem Eigentümer einer vollstreckungsbetroffenen Sache, der nicht Vollstreckungsschuldner ist, steht gleichwohl ausnahmsweise keine Drittwiderspruchsklage zu, wenn er einer prozessualen Mithaftung aus dem zugrunde liegenden Titel unterliegt (OLG Karlsruhe, MDR 2017, 1442).
Rz. 24
Vorbehaltseigentum; auch das Vorbehaltseigentum berechtigt zur Drittwiderspruchsklage, wenn Gläubiger des Vorbehaltskäufers in die Sache vollstrecken (BGHZ 54, 214 [218]). Allerdings können die Gläubiger das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers pfänden und der Klage des Vorbehaltsverkäufers durch Zahlung des Restkaufpreises die Grundlage entziehen. Dem Vorbehaltskäufer steht die Klage aufgrund seiner Eigentumsanwartschaft zu, wenn ein Gläubiger des Vorbehaltsverkäufers in die Kaufsache vollstreckt. Ist der Käufer im Besitz der Sache, was zumeist der Fall sein wird, dann kann er der Pfändung nach § 809 ZPO widersprechen.
Rz. 25
Sicherungsnehmer; der Sicherungsnehmer ist widerspruchsberechtigt bei der Zwangsvollstreckung des Gläubigers des Sicherungsgebers (BGH, NJW 1981, 1835 = MDR 1981, 840). Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur lebhaft umstritten. Jedenfalls der BGH hat seine angeführte Auffassung in BGHZ 100, 95 bekräftigt: Demnach hat der Sicherungseigentümer die Klage aus § 771 ZPO, solange noch Forderungen zu sichern sind (zur Beweislast LG Köln, MDR 1981, 592). Für die Gewährung des Interventionsrechts spricht die der Sicherungsübereignung zugrunde liegende typische Interessenlage: Der Sicherungsgeber soll gerade durch den Einsatz des Sicherungsguts die Mittel zur Rückzahlung der gesicherten (meist Kaufpreis-)Forderung erwirtschaften können. Jedenfalls sollte dem Sicherungseigentümer nicht die Verwertung des Sicherungsguts aufgedrängt werden können.
Rz. 26
Sicherungsgeber; der Sicherungsgeber ist widerspruchsberechtigt, auch wenn er...