Rz. 1
Die Vorschrift des § 774 ZPO ergänzt § 741 ZPO: Betreibt ein Ehegatte, der das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltet, ein Erwerbsgeschäft, so genügt gemäß § 741 ZPO grundsätzlich zur Vollstreckung in das Gesamtgut ein gegen ihn ergangenes Urteil. Es ist dann wegen aller Verbindlichkeiten dieses Ehegatten die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut zulässig. Diese erleichterte Form der Zwangsvollstreckung in einem Sonderfall der ehelichen bzw. lebenspartnerschaftlichen Gütergemeinschaft wird durch diese Bestimmung relativiert, weil der andere Ehegatte bzw. Lebenspartner seine Nichthaftung mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO geltend machen kann. Der Tatbestand der Norm erfasst diejenigen Fälle, in denen eine Zwangsvollstreckung nach § 741 ZPO stattfindet (vgl. i.E. Kommentierung zu § 741 ZPO) und betrifft deshalb ausschließlich Ehegatten und Lebenspartner im Güterstand der Gütergemeinschaft (§ 7 LPartG, §§ 1415ff. BGB). Allerdings findet die Vorschrift über den Verweis in § 744a ZPO auch dann, wenn die Eheleute im Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach dem Familiengesetzbuch der vormaligen DDR leben.
Rz. 2
Schuldner der Vollstreckung ist der das Gesamtgut nicht oder nicht allein verwaltende Ehegatte oder Lebenspartner, der selbständig ein Erwerbsgeschäft betreibt.
Haftung nach materiellem Recht
Nach dem materiellen Recht haftet das Gesamtgut für die Geschäftsverbindlichkeiten, wenn der Ehegatte bzw. Lebenspartner, der das Gesamtgut allein oder mitverwaltet, mit dem Betrieb des Erwerbsgeschäfts durch den anderen Ehegatten bzw. Lebenspartner einverstanden ist.
Nach den §§ 1438 Abs. 1, 1460 Abs. 1 BGB haftet das Gesamtgut auch in denjenigen Fällen, in denen eine Zustimmung des verwaltenden Ehegatten bzw. Lebenspartners zur Eingehung der Verbindlichkeit nicht erforderlich ist. Eine Zustimmung des (mit)verwaltenden Ehegatten bzw. Lebenspartners zu Geschäften oder Rechtsstreitigkeiten, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, ist nach den §§ 1431 Abs. 1 Satz 1, 1456 Abs. 1 Satz 1 dann nicht erforderlich, wenn der (mit)verwaltende Ehegatte bzw. Lebenspartner mit dem Betrieb des Erwerbsgeschäftes durch den jeweils anderen Ehegatten bzw. Lebenspartner einverstanden ist. Auch diese Geschäfte wirken demnach für und gegen das Gesamtgut. Dem Einverständnis i. S. d. vorgenannten Bestimmungen steht es gleich, wenn der verwaltende Ehegatte in Kenntnis der Sachlage keinen Einspruch gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäfts eingelegt hat. Etwas anderes gilt dann, wenn bereits während des Titulierungsverfahrens im Güterrechtsregister vermerkt war, dass der andere Ehegatte bzw. Lebenspartner mit dem Betrieb des Erwerbsgeschäfts nicht einverstanden ist. Nach den §§ 1431 Abs. 2, 3, 1446 Abs. 2, 3, 1412 BGB ist das Urteil dem anderen Teil gegenüber unwirksam, wenn er den Geschäftsbetrieb nicht kannte, der Gläubiger den Mangel der Einwilligung kannte oder wenn bei Rechtshängigkeit der Klage der Einspruch oder Widerspruch gegen das Erwerbsgeschäft im Güterrechtsregister eingetragen war.
In diesen Fällen kann der das Gesamtgut verwaltende (mitverwaltende) Ehegatte die Widerspruchsklage erheben. Mit der Drittwiderspruchsklage nach den §§ 774, 771 ZPO macht der klagende Ehegatte bzw. Lebenspartner geltend, dass die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut für unzulässig zu erklären ist, weil das Gesamtgut im Einzelfall für die Verbindlichkeit des Vollstreckungsschuldners nicht haftet (BeckOK/ZPO-Preuß, § 774 Rn. 4). Diese Klage wendet sich bereits gegen die Pfändung und nicht erst gegen die Verwertung des Gegensandes (BeckOK/ZPO-Preuß a. a. O.). Wendet der Gläubiger gegenüber der Widerspruchsklage des klagenden Ehegatten ein, dieser habe trotz des allgemeinen Widerspruchs dem einzelnen Geschäft zugestimmt, genügt dies zur Klageabweisung (Zöller/Herget, § 774 Rn. 1). Es wäre nämlich in diesen Fällen nicht gerechtfertigt, von dem klagenden Gläubiger zu verlangen, dass er sich im Wege der Widerklage seinerseits einen Titel (§ 740 ZPO) gegen den klagenden Ehegatten beschafft (Stein/Jonas/Münzberg, § 774 Rn. 1). Mit der Klage wird mithin nicht die Unwirksamkeit des Urteils gegenüber dem Gesamtgut, sondern dessen fehlende Haftung im Einzelfall geltend gemacht.