1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Vorschrift hat den Zweck, die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen in den Fällen auszuschließen, in denen der Gläubiger bereits nach materiellem Recht gesichert und ein Zugriff auf das sonstige Vermögen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht erforderlich ist (eine Variante des Übermaßverbots, § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. auch OLG Köln, OLGZ 1988, 217). Während § 803 ZPO schon eine erstmalige (Über-) Pfändung von Anfang an verhindern will, gibt § 777 ZPO nur ein Widerspruchsrecht gegen eine bereits erfolgte Pfändung mit dem Ziel ihrer Aufhebung. Anwendung findet die Vorschrift bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen, Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 803 bis 882a ZPO) und in das unbewegliche Vermögen sowie im Verfahren der Vermögensauskunft (§§ 807, 802e bis 802j, ZPO).
2 Voraussetzungen
Rz. 2
Der Gläubiger muss eine Sache des Schuldners im Alleinbesitz haben, an der ihm ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht für die beizutreibende Forderung zusteht (Zöller/Geimer, § 777 Rn. 5). Mitbesitz und mittelbarer Besitz genügen nur, wenn der Gläubiger Verwertung ohne Herausgabeklage gegen den Schuldner oder einen Dritten betreiben kann oder selbst seinen Alleinbesitz aufgegeben hat (mit Verwahrung durch Dritte u.s.w., § 868 BGB). Dass sich der Gläubiger von Anfang an mit mittelbarem Besitz begnügt hat (§ 1205 Abs. 2 BGB), rechtfertigt keinen Widerspruch, weil er auf solche Weise ein der Pfändung vorgehendes leichtes Verwertungsrecht nie erlangt hat (Zöller/Geimer, ZPO, § 777 Rn. 5; a. A. BeckOK/ZPO-Preuß, § 777 Rn. 4, 4.1). Das Pfandrecht muss an einer beweglichen Sache des Schuldners, auch Inhaberpapieren oder Inhaberzeichen (§§ 793 ff., 807 BGB) bestehen (h. M. MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 777 Rn. 4, 5). Ein Pfandrecht an Legitimationspapieren (§ 808 BGB), Rekta- und Orderpapieren (Wechsel oder Scheck) hingegen genügt nicht. Der Rechtsgrund des Pfandrechts ist unerheblich: Es kann sich um ein rechtsgeschäftliches, gesetzliches oder auch Pfändungspfandrecht handeln. Als Pfandrechte kommen u. a. in Betracht: das Vertragspfandrecht nach §§ 1204 ff. BGB, das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters (§ 562 BGB), des Verpächters (§ 583 BGB), des Gastwirts (§ 704 BGB), des Werkunternehmers (§ 647 BGB), des Kommissionärs (§ 397 HGB), des Spediteurs (§ 410 HGB), des Lagerhalters (§ 421 HGB) und des Frachtführers (§ 440 HGB), soweit der Gläubiger am Gegenstand unmittelbaren Besitz hat oder der Gegenstand sich nach dem Willen des Gläubigers im unmittelbaren Besitz eines Dritten (z. B. zur Reparatur) befindet, der seinerseits zur Rückgabe an den Gläubiger verpflichtet ist. Zurückbehaltungsrechte an beweglichen Sachen können nur dann eine genügende Sicherheit bieten, wenn sie mit einem Verwertungsrecht einhergehen (BeckOK/ZPO-Preuß, § 777 Rn. 7).Dies ist bei den Rechten aus § 1003 BGB und § 371 HGB der Fall. Weitere können sich u. a. aus den §§ 972, 1000 BGB; §§ 369 ff. HGB ergeben. Ob das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB oder die Einrede des nichterfüllten Vertrages erfasst werden, ist streitig. Nach wohl h. M. werden diese Rechte nicht erfasst (vgl. BeckOK/ZPO-Preuß, § 777 Rn. 7; a. A. Zöller/Geimer, § 777 Rn. 4). Das Zurückbehaltungsrecht des Vermieters an der Mietkaution ist, obwohl es in der Regel nur durch Verweigerung der Zustimmung zur Auszahlung des Betrags durch das Kreditinstitut an den Schuldner ausgeübt wird, nicht durch körperliches Zurückhalten des Geldbetrags, dem Zurückbehaltungsrecht an beweglichen Sachen gleichzustellen (LG München, DGVZ 1984, 77).
Rz. 3
Das Pfändungspfandrecht an beweglichen Sachen des Schuldners und ihm gleichstehend auch das Arrestpfandrecht sind keine Pfandrechte im Sinne des § 777 ZPO. Die Sicherungsübereignung ist dem Pfandrecht nur gleichgesetzt, wenn die Besitzvoraussetzungen gegeben sind (LG Detmold, Rpfleger 1990, 432). Die Vorschrift des § 777 ZPO ist nur dann entsprechend anwendbar, wenn der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung oder zum Zwecke ihrer Einstellung hinterlegt hat und wenn der Gläubiger vor Beginn der Zwangsvollstreckung unzweifelhaft einen vom Verhalten des Schuldners unabhängigen Auszahlungsanspruch gegen die Hinterlegungsstelle hat (OLG Köln, OLGZ 1988, 217; MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 777 Rn. 7).
Rz. 4
Der Gläubiger muss den Alleinbesitz innehaben, der die Verwertung ohne ein gerichtliches Verfahren ermöglicht. Das Pfandrecht des Vermieters, Verpächters oder Gastwirts hat Wirkung erst nach Inbesitznahme des Pfandgegenstands. Der Mitbesitz oder mittelbare Besitz genügt nur, wenn der Gläubiger die Verwertung ohne weiteres betreiben kann (vgl. RZ 2). Der Wert des Sicherungsrechts muss die Vollstreckungsforderung des Gläubigers nach Hauptsache, Zinsen und Kosten voll decken (Schuschke/Walker, § 777 Rn. 9). Die gesicherte Forderung muss zugleich die zu vollstreckende Forderung sein.
3 Widerspruch – Verfahren
Rz. 5
Der Schuldner kann – wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen – der Zwangsvollstreckung in sein übri...