1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, d. h. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen. Er kann seine Haftung aber auf den Nachlass beschränken (§§ 1975 ff. BGB). Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann er die Beschränkung seiner Haftung nur dann im Vollstreckungsverfahren geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Die Vorschrift des § 780 ZPO regelt nicht die Art und Weise, in der die Haftungsbeschränkung des Erben geltend gemacht werden kann (dazu siehe Erläuterungen zu den §§ 781, 785 ZPO), sondern lediglich die Frage, ob die Beschränkung der Haftung geltend gemacht werden kann. Für den Erben stellt die Vorschrift eine Präklusionsnorm dar, die eine verspätete Geltendmachung der beschränkten Erbenhaftung ausschließt. Für das Prozessgericht bedeutet die Bestimmung eine Verfahrensnorm; es braucht die rechtzeitig geltend gemachte Beschränkung der Haftung nicht zu prüfen, sondern es behält sie – durch Urteil – dem Erben lediglich zum Zwecke späterer Geltendmachung vor.
Rz. 2
"Der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte" in § 780 Abs. 1 ZPO bedeutet, dass er wegen einer Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB) verurteilt ist. Dabei ist es gleichgültig, ob der Erbe ursprünglich Beklagter war oder später in den Prozess als Erbe eingetreten ist (§§ 239, 246 ZPO). Die Vorschrift stellt in Abs. 1 lediglich fest, dass die Haftungsbeschränkung des Erben in der Zwangsvollstreckung nur geltend gemacht werden kann, wenn sie ihm im Urteil (dem der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Titel) – das kann auch ein Titel nach § 795 ZPO oder ein Vollstreckungsbescheid sein – vorbehalten ist.
Rz. 3
Grundsätzlich haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt (§ 1967 Abs. 1 BGB), aber beschränkbar. Ein nach Annahme der Erbschaft (§ 1958 BGB) gegen den Erben erwirkter Vollstreckungstitel kann daher auch in das Eigenvermögen des Erben vollstreckt werden. Der Erbe kann jedoch die Haftung unter bestimmten Voraussetzungen gegenständlich auf den Nachlass beschränken (BGHZ 227, 198). Diese Beschränkung, die sich nach dem materiellen Recht (§§ 1973, 1974, 1975, 1989 und 1990 bis 1992 sowie 2059 BGB) richtet, ist in dem nämlichen Rechtsstreit geltend zu machen. Bei der Zwangsvollstreckung wird sie nur berücksichtigt, wenn
- sich der Erbe auf die Haftungsbeschränkung beruft (§ 781 ZPO) und
- wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist (Abs. 1 mit den Ausnahmen des Abs. 2).
2 Anwendungsbereich
Rz. 4
Die Bestimmung gilt grundsätzlich für jeden Erben, auch für den nach den §§ 2058 ff. BGB haftenden Miterben und für den Nacherben. Sie gilt auch für den Erbschaftskäufer mit der Einschränkung, dass auch der Erbschaftsverkäufer die Möglichkeit der Beschränkung der Haftung noch nicht verloren hatte (§ 2383 BGB). Voraussetzung für einen Vorbehalt ist, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird (BGH, NJW-RR 2020, 6; MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 780 Rn. 5). Denn die Vorschrift des § 780 ZPO soll sicherstellen, dass der Titel bereits regelt, ob sich der Erbe in der Zwangsvollstreckung auf die Beschränkung seiner Haftung (noch) berufen kann (BGH,NJW-RR 2020, 6).Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt ein Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht (BGH, NJW 2013, 3446 = ZMR 2014, 221 = DNotZ 2014, 134 = FamRZ 2013, 245 m. Anm. von Kreuzer, MittBayNot 2014, 171; von Bonifacio, ZfIR 201, 814; von Herzog, ErbR 20132, 391; von Joachim, ZEV 2013, 612). Nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründete Hausgeldschulden sind (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann. Hiervon ist in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen (BGH a. a. O.). Der nach Ausscheiden des Komplementärs aus einer zweigliedrigen Kommanditgesellschaft verbliebene Kommanditist kann sich entsprechend § 780 Abs. 1 ZPO darauf beschränken, im Erkenntnisverfahren lediglich den Ausspruch des Vorbehalts einer auf das angewachsene Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung geltend zu machen (OLG Frankfurt, MDR 2021, 1276). Wird der Erbe, gestützt auf § 27 HGB, in Anspruch genommen, findet § 780 ZPO keine Anwendung; über die Haftungsbeschränkung nach § 27 Abs. 2 HGB ist vielmehr im Erkenntnisverfahren zu entscheiden (vgl. OLG Koblenz, NJOZ 2019, 853).
Rz. 5
§ 780 ZPO gilt für jedes vollstreckbare Leistungsurteil (h. M. Stein/Jonas/Münzberg, § 780 Rn. 4 m. w. N.; a. A. OLG Bamberg, ZEV 1996, 463 m. Anm. Wolf). Nach dem OLG Bamberg muss der Vorbehalt (auch) im Rahmen einer Feststellungsklage dann geltend gemacht werden, wenn der genaue Umfang der Zahlungsverp...