1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Bestimmung berücksichtigt die Tatsache, dass durch die Anordnung der Nachlassverwaltung und die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Vermögens- und Haftungsmassen (Nachlass und nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen (Eigenvermögen)) in der Hand des Erben getrennt werden. Der Erbe haftet in diesen Fällen für die Nachlassverbindlichkeiten endgültig beschränkt (vgl. § 1975 BGB), sofern er nicht die Beschränkungsmöglichkeit verloren hatte (vgl. §§ 1994, 2005 f. BGB); umgekehrt können die Eigengläubiger des Erben zur Befriedigung ihrer Forderungen (gegen den Erben) nicht (mehr) auf den Nachlass zugreifen.
2 Regelungsinhalt
2.1 Absatz 1
Rz. 2
Die Vorschrift trifft eine Bestimmung für die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen, die bei Anordnung der Nachlassverwaltung oder der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens bereits erfolgt sind. Obgleich das Gesetz lediglich von Nachlassverwaltung und -insolvenz spricht, ist Abs. 1 auch auf die endgültige Haftungsbeschränkung durch die Erschöpfungseinrede (§§ 1973, 1974 BGB) und die Dürftigkeitseinrede (§§ 1990, 1992 BGB) entsprechend anwendbar (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 784 Rn. 2). Gegenüber einer nach diesem Zeitpunkt erst beginnenden Zwangsvollstreckung kann der Erbe die Haftungsbeschränkung mit der Klage nach den §§ 781, 785 ZPO geltend machen, wenn sie ihm vorbehalten ist (§ 780 Abs. 1 ZPO) oder ein Vorbehalt ausnahmsweise nicht notwendig war.
Rz. 3
Der Erbe muss den Nachweis erbringen, dass der Pfändungsgläubiger Nachlassgläubiger ist und der gepfändete Gegenstand zum Nachlass gehört. Die Zwangsvollstreckung darf nicht beendet sein.
2.2 Absatz 2
Rz. 4
Ist die Nachlassverwaltung angeordnet, hat aber entgegen Abs. 2 ein Eigengläubiger des Erben in den Nachlass vollstrecken lassen, so kann der Nachlassverwalter die Aufhebung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verlangen. Den persönlichen Gläubigern steht nämlich der Nachlass – nach der Sonderung durch die Anordnung der Nachlassverwaltung – zur Befriedigung nicht zu; er soll vielmehr zur Befriedigung allein der Nachlassgläubiger dienen.
Rz. 5
Im Fall der Nachlassinsolvenz gilt die Regelung des § 321 InsO. Danach berechtigen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung, die nach dem Erbfall erfolgt sind, nicht zur abgesonderten Befriedigung. Alle Gläubiger müssen sich ohne Rücksicht auf ihre Stellung am Insolvenzverfahren ohne Vorrechte beteiligen. Setzt einer der Gläubiger allerdings entgegen § 321 KO die Zwangsvollstreckung fort, kann der Insolvenzverwalter dies mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO unterbinden. Eine Klage nach § 785 ZPO ist überflüssig und wäre unzulässig (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 784 Rn. 3).
3 Verfahren
Rz. 6
Die Klage nach § 785 ZPO ist im Falle des Abs. 1 vom Erben geltend zu machen. Auf § 784 Abs. 1 ZPO kann sie allerdings nur dann gestützt werden, wenn die Vollstreckungsmaßnahme vor der Durchführung der Haftungsbeschränkung erfolgte. Sonst muss der Erbe nach § 781 ZPO vorgehen. Die Klage ist gerichtet auf Aufhebung der Zwangsvollstreckung in den bestimmt zu bezeichnenden Gegenstand. Gibt der Gläubiger den Gegenstand frei, wird die Klage unzulässig. Der Kläger kann die Erledigung der Hauptsache erklären (§ 91a ZPO). Auch hier ist es sinnvoll, mit dem Gläubiger eine außerprozessuale Einigung zu versuchen. Der Versuch muss unternommen werden, um einem Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen. Der Erbe trägt im Prozess die Beweislast dafür, dass eine Nachlassverbindlichkeit vorliegt und der Gegenstand der Zwangsvollstreckung zum Nachlass gehört. Macht der Gläubiger im Prozess geltend, der Erbe hafte unbeschränkt, so hat er hierfür die Darlegungs- und Beweislast (Schuschke/Walker, § 784 Rn. 1).
Rz. 7
Im Falle des Abs. 2 ist es der Nachlassverwalter, der die Klage nach § 785 ZPO zu erheben hat. Er hat im Prozess darzulegen und zu beweisen, dass der Gegenstand der Zwangsvollstreckung zum Nachlass gehört und der Gläubiger kein Nachlassgläubiger ist. Neben der Klage kann der Nachlassverwalter mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO nur solche Maßnahmen der Zwangsvollstreckung rügen, die nach der Anordnung der Nachlassverwaltung eingeleitet wurden (MünchKomm/ZPO-K. Schmidt/Brinkmann, § 784 Rn. 5).
Literaturtipps
• |
Herzog, Nachlasshaftung und Nachlassinsolvenz (1. Teil), ErbR 2013, 70; (2. Teil), ErbR 2013, 104 |
• |
Jaspersen, Vollstreckung nach Anordnung der Nachlaßverwaltung, Rpfleger 1995, 243 |