1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Bestimmung bietet für die Parteien die Möglichkeit, die gerichtliche Tätigkeit durch diejenige eines Notars ersetzen zu lassen. So kann ein Anwaltsvergleich auch ohne Mitwirkung des Gerichts für vollstreckbar erklärt werden. Anwendbar ist die Bestimmung nur, wenn alle Voraussetzungen eines wirksamen Anwaltsvergleichs vorliegen (Brandenburgisches OLG, NJW 2014, 643 = FamRZ 2014, 872), was sich aus der Bezugnahme auf § 796a ZPO in Abs. 1 Satz 2 ergibt.
2 Verwahrung – Vollstreckbarerklärung (Absatz 1)
Rz. 2
Die Urschrift des Anwaltsvergleichs kann entsprechend § 25 BNotO in notarielle Verwahrung genommen werden, wenn die Parteien des Vergleichs sämtlich ihre Zustimmung erklärt haben. Diese Erklärung wird zweckmäßigerweise – unter Beteiligung der Anwälte – in den Anwaltsvergleich mit aufgenommen. Ihre Zustimmung können die Parteien aber auch dem Notar gegenüber erklären oder ihm durch eine (private) Urkunde (§ 416 ZPO) nachweisen. Sie muss sich auch auf die Vollstreckbarerklärung durch den Notar beziehen und kann bis zur Vollstreckbarerklärung zurückgenommen werden (BeckOK/ZPO-Hoffmann, § 796c Rn. 5; a. A. Stein/Jonas/Münzberg, § 796c Rn. 2). Die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit sind dieselben wie beim gerichtlichen Verfahren, was aus der Verweisung in Abs. 1 Satz 2 auf die §§ 796a, 796b ZPO folgt. Eine Abweichung vom gerichtlichen Verfahren besteht lediglich bei der örtlichen Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung. Da es keine Zuständigkeit des Notars für die gerichtliche Geltendmachung des zu vollstreckenden Anspruchs gibt, richtet sich die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach dem Ort der Niederlegung. Der Notar, bei dem der Anwaltsvergleich niedergelegt ist, ist nicht nur für die Verwahrung, sondern auch für die Vollstreckbarerklärung zuständig. Die Vollstreckbarerklärung ist für den Notar auch dann keine Pflichtaufgabe, wenn die Urkunde beim Notar in Verwahrung genommen wurde (Zöller/Geimer, § 796c Rn. 2; a. A. DNotI-Report 2007, 66). Bei der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs durch den Notar gemäß § 796c ZPO gilt für diesen das Spruchrichterprivileg aus § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, WM 2021, 129; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, NotBZ 2017, 398). Die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs durch einen Notar nach §§ 796b, 796c ZPO dient der Schaffung eines Vollstreckungstitels (§ 794 Abs. 1 Nr. 4b ZPO), wobei Prüfungsumfang und Entscheidung sich nicht von dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren unterscheiden (BGH, a. a. O.).
Der Notar entscheidet nach Antrag durch Beschluss, der den Beteiligten von Amtswegen zuzustellen ist. Dieser Beschluss über die Vollstreckbarerklärung erfüllt die Kriterien eines "urteilsvertretenden Erkenntnisses" (BGH, a.a.O). Über die Kosten des Verfahrens entscheidet der Notar in entsprechender Anwendung der §§ 91 ZPO. Die positive Entscheidung verleiht dem Anwaltsvergleich die Vollstreckbarkeit und stellt dessen Wirksamkeit und das Bestehen des Anspruchs rechtkräftig fest (Zöller/Geimer, a. a. O., Rn. 8). Die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs durch den Notar entfaltet insoweit materielle Rechtskraft, als der Notar die Wirksamkeit des Vergleichs prüft und feststellt (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, NotBZ 2017, 398). Vollstreckungstitel ist der Beschluss des Notars, der selbst nicht für vollstreckbar zu erklären ist, und nicht der Anwaltsvergleich (Zöller/Geimer, § 796c Rn. 8; DNotI-Report 2007, 66). Der von einem Notar für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleich kann nach Art. 25 Abs. 1 der EuVTVO als europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden, denn die Vollstreckbarerklärung durch den Notar ist aufgrund der erforderlichen Einvernehmlichkeit der Vollstreckbarerklärung die ausdrückliche Anerkennung einer Forderung in einer öffentlichen Urkunde i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d, Art. 4 Abs. 3 EuVTVO. Zuständig ist gemäß Art. 25 Abs. 1 EuVTVO, § 1079 iVm. §§ 796 c Abs. 1 Satz 1, 795, 724 Abs. 2 ZPO der Notar, der die Vollstreckbarerklärung ausgesprochen hat (Musielak/Voit/Voit § 796c Rn. 4).
3 Ablehnung der Vollstreckbarerklärung (Absatz 2)
Rz. 3
Auch der Notar hat die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, wenn eine Voraussetzung fehlt oder ein besonderer Ablehnungsgrund besteht (vgl. § 796a Rn. 5). Der Notar sollte den Antragsgegner anhören. Die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung hat er zu begründen, um ihre Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen (Zöller/Geimer, § 796c Rn. 10). Für den stattgebenden Beschluss ist eine Begründung nicht vorgeschrieben. Sie kann im Einzelfall, insbesondere bei umfangreichen und komplizierten Sachverhalten zweckmäßig sein.
Rz. 4
Der Antragsteller kann im Falle der Ablehnung der Vollstreckbarerklärung diese mit der Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung anfechten (Abs. 2 Satz 2). Dies ist der allein zulässige Rechtsbehelf. Das Prozessgericht verfährt im Verfahren nach § 796b ZPO. Seine Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 796b Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Anfechtbarkeit der Klauselerteilung durch den Notar folgt ...