Rz. 10
Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der InsO und nach dem AnfG" ist am 5.4.2017 in Kraft getreten (BGBl 2017, 654). Nach Art. 103j Abs. 1 EGInsO gilt die Reform für alle Insolvenzverfahren, die ab diesem Stichtag eröffnet werden. Kernpunkte der Novellierungen sind eine Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre sowie die Besserstellung von Gläubigern bei Ratenzahlungen.
Umstritten war bislang die in der Rechtsprechung geübte Praxis, Ratenzahlungsvereinbarungen oder andere Zahlungserleichterungen (z. B. Zahlungsaufschub; Stundung) als Indiz dafür zu nehmen, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Für Insolvenzverfahren nach dem 5.4.2017 gilt: Zahlungsvereinbarungen sind ein Indiz dafür, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit nicht kannte (§ 133 Abs. 3 Satz 2 InsO). Dies kann jedoch vom Insolvenzverwalter widerlegt werden.
Rz. 11
Vermutungsregeln und Beweisanzeichen
Hiervon werden vor allem die im Rahmen von Vollstreckungshandlungen mit Gerichtsvollziehern abgeschlossenen Vereinbarungen nach § 802b ZPO erfasst. Wenn daher ein Gläubiger im amtlichen Gerichtsvollzieherauftrag im Modul E ein Kreuz setzt, gilt grundsätzlich die Vermutung, dass der Gläubiger eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht gekannt hat. Diese Vermutungsregel wird der Insolvenzverwalter daher nur durch Darlegung und Beweis der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit unter erhöhten Anforderungen widerlegen können. Eine Stundungs- und Ratenzahlungsbitte des Schuldners ist daher kein (sicheres) Beweisanzeichen mehr. Als Handlungsempfehlung lässt sich daher grundsätzlich sagen, dass bei auftretenden Zahlungsschwierigkeiten die Gläubiger prüfen sollten, ob eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen werden kann, weil damit zunächst die für Gläubiger günstige Vermutungsregelung nach § 133 Abs. 3 InsO greift. Es ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die Verbindlichkeiten zunächst gestundet werden und dass der Schuldner die Zahlungen fristgemäß erbringt. Gläubiger müssen aber ebenso beachten, dass bestimmte Beweisanzeichen für die Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit gefährlich sind, wie z. B.:
- Ratenzahlungsvereinbarung wird nicht eingehalten,
- über mehrere Monate hinweg besteht ein Rückstand mit Ratenzahlungen,
- es liegt eine Erklärung des Schuldners vor, fällige Zahlungspflichten nicht – mehr – erfüllen zu können oder
- erfolglose Vollstreckungsversuche durch andere Gläubiger sind bekannt.
Rz. 12
Auch müssen Rechtsanwälte im Hinblick auf die Anfechtungsgefahr in einem etwaigen Insolvenzverfahren des Schuldners ihre Beratung hieran ausrichten. Denn der BGH (ZInsO 2017, 2218 = MDR 2017, 1271 = AnwBl 2017, 1233 = NJW-RR 2017, 1459) hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragte Rechtsanwalt verpflichtet sein kann, den Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners und das hiermit verbundene Ausfallrisiko hinzuweisen. Der Rechtsanwalt muss seinen Auftrag so erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Ist er mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden und hat er einen Titel gegen einen Schuldner des Mandanten erwirkt, muss er demzufolge zügig die Zwangsvollstreckung betreiben. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Insolvenz des Schuldners bevorsteht, muss der Anwalt seinen Mandanten über das Risiko der fehlenden Insolvenzfestigkeit der im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherheit gemäß § 88 InsO ebenso hinweisen, wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gemäß §§ 130, 131 InsO. Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des Schuldners einerseits (§§ 130, 131, 133 InsO) und von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung andererseits muss der Anwalt kennen (vgl. auch ausführlich: Vollstreckung effektiv 2017, 209 mit Musterformulierung).