Rz. 4
Abs. 1 wurde durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Wirkung zum 1.1.2022 geändert (BGBl I 2021 S. 850). Die Norm gibt dem Gerichtsvollzieher bei Vorliegen engerVoraussetzungen die Befugnis bei bestimmten Institutionen Daten abzurufen. Hierdurch werden weitergehende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ermöglicht (BT-Drucks. 19/27636, 26). Ein solcher Eingriff ist durch das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht des Gläubigers auf eine effektive Zwangsvollstreckung wegen seiner Forderung und auf den Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gerechtfertigt.
Zuständig ist der Gerichtsvollzieher, in dessen Bezirk der Schuldner zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Gläubiger wohnt (§ 14 GVO, § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GVGA; AG Bremen, JurBüro 2016, 154); unrichtig daher AG Heilbronn (DGVZ 2018, 18), das der Ansicht ist, dass der ursprünglich mit Abnahme der Vermögensauskunft beauftragte Gerichtvollzieher zuständig bleibt. Das AG Heilbronn verkennt dabei, dass der Antrag auf Vermögensauskunft gerade keinen Annex zum Antrag auf Einholung von Drittauskünften darstellt (vgl. BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 204 = FoVo 2018, 227). In § 802c ZPO geht es um die Verpflichtung des Schuldners selbst zur Auskunft über sein Vermögen. Dagegen ist in § 802l ZPO nicht die Auskunft des Schuldners selbst, sondern diejenige von Dritten geregelt, bei denen typischerweise Informationen über die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu erwarten sind (BGH, DGVZ 2018, 62 = Vollstreckung effektiv 2018, 57 u. 73).
Rz. 5
Das Auskunftsersuchen hat die Angabe des vollständigen Namens des Schuldners, d. h. Angabe aller Namensbestandteile, zu enthalten (AG Bernburg, DGVZ 2022, 89). Der Gerichtsvollzieher ist zum Schutze der Belange etwaiger mit dem Schuldner namensgleicher Personen, insbesondere deren Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dazu verpflichtet, den Schuldner – um dessen Identifizierung sicherzustellen – so genau wie möglich zu bezeichnen (z. B. zur Angabe des Geburtsdatums vgl. AG Hamburg-Barmbek, DGVZ 2020, 19; AG Schwerin, DGVZ 2022, 44).
2.1 Voraussetzungen
2.1.1 Erforderlichkeit
Rz. 6
Die Maßnahmen müssen zur Vollstreckung erforderlich sein. Mit diesem Erfordernis sollen unnötige Datenerhebungen in den Fällen verhindert werden, in denen nach den Umständen des Einzelfalls aus der jeweils begehrten Drittauskunft keine verwertbaren Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind (BGH, DGVZ 2022, 191), ebenso, dass unverhältnismäßig in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird. Das Auskunftsrecht soll auf Fälle beschränkt werden, in denen durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind. Somit haben die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Gläubiger und das öffentliche Interesse an einer wirksamen Zwangsvollstreckung gegenüber dem Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2015, 2509; BGH, DGVZ 2022, 191). Insofern bleibt unter Berücksichtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Schuldners sowie in Abwägung mit den Gläubiger- und Allgemeininteressen an einer zügigen und erfolgreichen Vollstreckung die Einholung von Fremdauskünften subsidiär gegenüber der Einholung einer Selbstauskunft des Schuldners (BT-Drucks. 16/10069 S. 31). Drittauskünfte beziehen sich daher ausschließlich auf Daten, die der Schuldner bereits zuvor in der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO hätte angeben müssen und die er durch eidesstattliche Versicherung als richtig bestätigt hätte (vgl. BGH, WM 2015, 1422 = NJW 2015, 2509 = MDR 2015, 1038). Die Drittauskünfte gehen daher nicht weiter als die durch den Schuldner selbst abgegebene Vermögensauskunft. Wird z. B. durch die Angaben des Schuldners deutlich, dass neben der bereits angegebenen Beschäftigung schon zeitlich kein weiteres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehen kann, ist es nicht erforderlich, Daten zu erheben. Ebenso wird es nur ausnahmsweise erforderlich sein, Fahrzeug- und Halterdaten beim Kraftfahrzeug-Bundesamt abzufragen, wenn feststeht, dass der Schuldner keine Fahrerlaubnis hat. Danach ist es nur so lange erforderlich, Angaben in der ggf. abgegebenen Vermögensauskunft durch Drittauskünfte zu überprüfen, wie nicht durch Schuldnerangaben oder sonst offensichtlich deutlich wird, dass die Drittauskünfte keine Erkenntnisse für die Zwangsvollstreckung des Gläubigers erbringen können.
2.1.2 Zulässigkeit
Rz. 7
Die Einholung von Drittauskünften ist nur dann zulässig,
- wenn eine Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft wegen unbekannten Aufenthalts des Schuldners nicht möglich ist (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1)
- wenn der Schuldner seiner Pflicht zur ...