Rz. 10

Das Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn richtet sich darauf, die bei den Kreditinstituten in § 93b Abs. 1 und 1a AO bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b AO, abzurufen (§ 93 Abs. 8 AO). Gemäß § 93b Abs. 1 AO haben Kreditinstitute das nach § 24c Abs. 1 KWG zu führende Dateisystem auch für Abrufe nach § 93 Abs. 8 AO zu führen.

Nach § 24c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG umfasst das Dateisystem die Nummer eines Kontos sowie den Tag der Eröffnung. In § 24c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG sind außerdem der Vor- und Nachname des Inhabers und eines Verfügungsberechtigten aufgeführt. Gemäß § 93b Abs. 1a Satz 1 AO haben Kreditinstitute für Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 8 AO zusätzlich zu den in § 24c Abs. 1 KWG bezeichneten Daten für jeden Verfügungsberechtigten auch die Adressen zu speichern (BGH, DGVZ 2022, 191). Der Datenabruf bezieht sich weiterhin auf die Daten nach § 154 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 AO (Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c AO oder, wenn noch keine Wirtschafts-Identifikationsnummer vergeben wurde und es sich um keine natürliche Person handelt, die für die Besteuerung nach dem Einkommen geltende Steuernummer). Die übermittelte Adresse des Schuldners beziehungsweise dessen Wirtschafts-Identifikationsnummer ermöglicht es dem Gerichtsvollzieher, einen Abgleich mit den ihm vorliegenden Daten vorzunehmen. Dadurch liegen weitere Daten vor, anhand derer überprüft werden kann, dass es sich bei dem mitgeteilten Verfügungsberechtigten beziehungsweise den wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des Geldwäschegesetzes um den Schuldner handelt. Mit der Regelung soll die sog. Doppelgängerproblematik aufgegriffen werden (BT-Drucks. 19/27636, 27).

2.2.2.1 Schuldner als wirtschaftlich Berechtigter

 

Rz. 11

Ist der Schuldner als wirtschaftlich Berechtigter in einer Kontoauskunft ausgewiesen, so hat der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger Namen, Anschriften, Kontonummer und die Bank, bei der das Konto unterhalten wird, sowie der Zeitpunkt der Kontoeröffnung mitzuteilen (BGH, DGVZ 2022, 191; AG Wiesbaden, DGVZ 2018, 217). "Wirtschaftlich Berechtigter" bedeutet, dass es sich um ein sog. Treuhandkonto handelt. Damit kann ein Gläubiger nur auf das Konto zugreifen, wenn er einen Titel gegen den Treuhänder (Kontoinhaber) hat. Hat er aber nur einen Titel gegen den Treugeber als wirtschaftlich Berechtigten, scheidet eine Kontopfändung aus. Möglich ist es in diesem Fall, den Rückgabeanspruch des Treugebers zu pfänden (vgl. auch LG Wiesbaden, DGVZ 2008, 125).

 

Rz. 12

Die Daten sind dem Gläubiger vom Gerichtsvollzieher ungeschwärzt mitzuteilen, auch wenn sie Konten betreffen, hinsichtlich derer der Schuldner nicht selbst Inhaber, sondern (lediglich) Verfügungsberechtigter (wirtschaftlich Berechtigter; RZ 11) ist (BGH, DGVZ 2022, 191; LG München I, DGVZ 2022, 19; AG Heilbronn, DGVZ 2014, 198; a. A. LG Berlin, DGVZ 2021, 268). Dies ist auch verfassungskonform (BGH, DGVZ 2022, 191), da der Zweck der Regelung des § 802l ZPO es gebietet, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für den Gläubiger durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll zu stärken (BGH, NJW 2015, 2509; BGH, DGVZ 2022, 191). Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn der Gerichtsvollzieher die vom Bundeszentralamt für Steuern mitgeteilten und von ihm im Sinne von Abs. 2 als für die Zwecke der Zwangsvollstreckung erforderlich angesehenen Daten über Konten Dritter, hinsichtlich derer der Schuldner verfügungsberechtigt ist und die möglicherweise Vermögenswerte des Schuldners erschließen könnten, in der dem Gläubiger gemäß Abs. 3 ZPO geschuldeten Auskunft unkenntlich macht.

2.2.2.2 Informationelle Selbstbestimmung Dritter

 

Rz. 13

Eine vom Gerichtsvollzieher dem Gläubiger erteilte Auskunft über die Kontodaten einer Person, für deren Konto der Schuldner verfügungsberechtigt ist, greift auch in das Recht dieser dritten Person auf informationelle Selbstbestimmung ein. Eine Abwägung mit den Grundrechten des Gläubigers auf Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven zwangsweisen Durchsetzung titulierter Forderungen rechtfertigt diesen Eingriff, da auch personenbezogene Informationen nicht ausschließlich dem Betroffenen (Dritten) allein zugerechnet werden können. Grundsätzlich muss daher der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse, auf gesetzlicher Grundlage und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gebots der Normenklarheit hinnehmen (BGH, DGVZ 2022, 191; BVerfG, CR 1989, 528, 529 m. w. N.).

Die Weitergabe der Daten von Dritten an den Gläubiger (Abs. 3; vgl. RZ 30 ff.) ist zur Erreichung des mit § 802l ZPO verfolgten Zwecks (RZ 1) auch generell geeignet und insbesondere dann erforderlich, wenn der Schuldner keine Vermögensauskunft abgegeben hat. Angesichts des Umstands, dass Schuldner Konten Dritter zur Abwicklung ihres eigenen Zahlungsverkehrs nutzen können, ist kein milderes, gleich wirksames Mittel ersichtlich...

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