Rz. 5
Durch die Pfändung erwirbt der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht an der gepfändeten Sache (§ 804 Abs. 1 ZPO). Die Frage, ob das Pfändungspfandrecht automatisch mit jeder wirksamen Verstrickung entsteht oder ob es weiterer Wirksamkeitsvoraussetzungen bedarf, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Je nach Theorie werden unterschiedliche Voraussetzungen für eine wirksame Pfändung verlangt.
2.1 Privatrechtliche Theorie
Rz. 6
Auf der Basis einer nicht hoheitlichen Einordnung der Zwangsvollstreckung sieht die heute kaum noch vertretene privatrechtliche Theorie (vgl. zu den Vertretern dieses Standpunkts die Nachweise in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhardt, § 50 Rn. 47) im Pfändungspfandrecht eine dritte Art des bürgerlich-rechtlichen Pfandrechts neben vertraglichem und gesetzlichem Pfandrecht. Entstehung und Wirkung dieses Pfandrechts richteten sich nach dem bürgerlichen Recht (§§ 1204 ff. BGB), lediglich ergänzt durch einige besondere Verfahrensvoraussetzungen. Diese Theorie geht davon aus, dass das Pfändungspfandrecht und nicht die Verstrickung das Fundament des gesamten Vollstreckungsvorgangs ist. Andererseits hat auch das Verfahrensrecht Bedeutung für das materiell-rechtliche Pfandrecht insofern, als alle wesentlichen Verfahrensfehler auf den Bestand des Pfändungspfandrechts als des zentralen Ergebnisses des Vollstreckungsverfahrens Rückwirkung haben sollten. Die Entstehung des Pfändungspfandrechts ist nach dieser Theorie davon abhängig, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt waren. Hiernach entsteht ein Pfändungspfandrecht gemäß §§ 1273, 1274 Abs. 2, 400 BGB an einer unpfändbaren und damit nicht übertragbaren Forderung nicht (OLG Stuttgart, Urteil v. 18.4.2017 10 U 120/16 – Juris).
Rz. 6a
Die reine privatrechtliche Theorie stammt aus einer Zeit, in der die Zwangsvollstreckung noch als rein privat-rechtlicher Vorgang verstanden wurde, der lediglich durch staatliche Organe ausgeführt wurde. Als Argument werden u. a. die §§ 753, 754 ZPO herangezogen. Heute besteht allerdings Einigkeit, dass die Zwangsvollstreckung entgegen dem Wortlaut dieser Vorschriften nicht privat-rechtlich im Auftrag des Gläubigers durchgeführt wird, sondern als hoheitlich-staatliches Verfahren. Zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsorgan bestehen ihrer Rechtsnatur nach öffentlich-rechtliche Beziehungen. Aus diesem Grund wird die privat-rechtliche Theorie von der herrschenden Meinung abgelehnt und daher auch im Folgenden nicht berücksichtigt (Brox/Walker, § 13 Rn. 380; Schuschke/Walker, vor §§ 803, 804 Rn. 12; Gaul/Schilken/Becker-Eberhardt, § 50 Rn. 48; MünhcKomm/ZPO-Gruber, § 804 Rn. 4; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil v. 18.4.2017, 10 U 120/16 – Juris).
2.2 Öffentlich- rechtliche Theorie
Rz. 7
Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Zwangsvollstreckung, innerhalb derer ein privat-rechtliches Pfandrecht ein Fremdkörper wäre, schließen die Vertreter dieser Theorie auf eine prozessuale, öffentlich-rechtliche Natur des Pfändungspfandrechts, das mit dem Pfandrecht gem. §§ 1204 ff. BGB nichts zu tun habe (Zöller/Herget, § 804 Rn. 2 und 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 804 Rn. 4; Stein/Jonas/Münzberg, § 804 Rn. 7 ff. und 16 ff.). Nach dieser Theorie entsteht das Pfändungspfandrecht, das unlösbar mit der Verstrickung verknüpft ist, mit jeder wirksamen Pfändung ohne Rücksicht auf das materielle Recht. Als prozessuales Verwertungsrecht ist es insbesondere unabhängig vom Bestand des vollstreckbaren materiell-rechtlichen Anspruchs (es ist nicht akzessorisch) sowie vom Eigentum des Schuldners an der gepfändeten Sache. Hiernach hat das Pfändungspfandrecht keine Relevanz für die materiell-rechtliche Güterzuordnung am Erlös. Als nur prozessuales Befriedigungsrecht ist es zwar die Grundlage für die weitere Verwertung zwecks Befriedigung des Gläubigers, bildet jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Vollstreckungsgläubiger den Erlös auch endgültig behalten, sondern nur dafür, dass er ihn erhalten darf (eine Minderheit der Anhänger dieser Theorie will dessen Wirkungen weiter ausdehnen und im Pfändungspfandrecht auch eine Rechtsgrundlage dafür sehen, dass der Gläubiger den ihm ausgezahlten Erlös auch im Verhältnis zum nicht schuldenden Eigentümer einer gepfändeten Sache endgültig behalten darf; vgl. die Nachweise in BGH, NJW 1992, 2570 = BGHZ 119, 75 = WM 1992, 1626). Nach dieser Theorie ist das Entstehen des Pfändungspfandrechts allein von den formalen Kriterien des Vollstreckungsrechts und nicht von materiell-rechtlichen Gegebenheiten bestimmt. Es besteht vielmehr, wenn und solange wie die es begründende Verstrickung wirksam ist.
Rz. 8
Zwar kann eine Verstrickung beim Vorliegen besonders schwerwiegender, offenkundiger Fehler nichtig sein (Gaul/Schilken/Becker/Eberhard, § 31 Rn. 41). Von einer Nichtigkeit wäre beispielsweise beim gänzlichen Fehlen eines vollstreckungsfähigen Titels, beim Erlass einer Pfändungsmaßnahme durch ein sachlich oder funktionell unzuständiges Vollstreckungsorgan oder auch dann auszugehen, wenn die Person, gegen die vollstreckt wird, der deutschen Ger...