Rz. 7
Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Zwangsvollstreckung, innerhalb derer ein privat-rechtliches Pfandrecht ein Fremdkörper wäre, schließen die Vertreter dieser Theorie auf eine prozessuale, öffentlich-rechtliche Natur des Pfändungspfandrechts, das mit dem Pfandrecht gem. §§ 1204 ff. BGB nichts zu tun habe (Zöller/Herget, § 804 Rn. 2 und 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 804 Rn. 4; Stein/Jonas/Münzberg, § 804 Rn. 7 ff. und 16 ff.). Nach dieser Theorie entsteht das Pfändungspfandrecht, das unlösbar mit der Verstrickung verknüpft ist, mit jeder wirksamen Pfändung ohne Rücksicht auf das materielle Recht. Als prozessuales Verwertungsrecht ist es insbesondere unabhängig vom Bestand des vollstreckbaren materiell-rechtlichen Anspruchs (es ist nicht akzessorisch) sowie vom Eigentum des Schuldners an der gepfändeten Sache. Hiernach hat das Pfändungspfandrecht keine Relevanz für die materiell-rechtliche Güterzuordnung am Erlös. Als nur prozessuales Befriedigungsrecht ist es zwar die Grundlage für die weitere Verwertung zwecks Befriedigung des Gläubigers, bildet jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Vollstreckungsgläubiger den Erlös auch endgültig behalten, sondern nur dafür, dass er ihn erhalten darf (eine Minderheit der Anhänger dieser Theorie will dessen Wirkungen weiter ausdehnen und im Pfändungspfandrecht auch eine Rechtsgrundlage dafür sehen, dass der Gläubiger den ihm ausgezahlten Erlös auch im Verhältnis zum nicht schuldenden Eigentümer einer gepfändeten Sache endgültig behalten darf; vgl. die Nachweise in BGH, NJW 1992, 2570 = BGHZ 119, 75 = WM 1992, 1626). Nach dieser Theorie ist das Entstehen des Pfändungspfandrechts allein von den formalen Kriterien des Vollstreckungsrechts und nicht von materiell-rechtlichen Gegebenheiten bestimmt. Es besteht vielmehr, wenn und solange wie die es begründende Verstrickung wirksam ist.
Rz. 8
Zwar kann eine Verstrickung beim Vorliegen besonders schwerwiegender, offenkundiger Fehler nichtig sein (Gaul/Schilken/Becker/Eberhard, § 31 Rn. 41). Von einer Nichtigkeit wäre beispielsweise beim gänzlichen Fehlen eines vollstreckungsfähigen Titels, beim Erlass einer Pfändungsmaßnahme durch ein sachlich oder funktionell unzuständiges Vollstreckungsorgan oder auch dann auszugehen, wenn die Person, gegen die vollstreckt wird, der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterliegt oder wenn es unterlassen wurde, eine Sachpfändung nach außen hin kenntlich zu machen oder auch dann, wenn der Vollstreckungsgegenstand, also die angebliche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner, gar nicht existiert (OLG Stuttgart, Urteil v. 18.4.2017, 10 U 120/16 - Juris; vgl. auch Rz. 14). Da auch eine Pfändung, die wegen etwaiger Verfahrensmängel angreifbar ist, jedenfalls solange wirksam ist, als sie nicht erfolgreich angefochten wurde, entsteht nach dieser Theorie ein Pfändungspfandrecht.
Rz. 9
Der öffentlich-rechtlichen Theorie ist entgegenzuhalten, dass sie schon dem Wortlaut des § 804 Abs. 2 ZPO nicht gerecht wird, der ausdrücklich auf das bürgerlich-rechtliche Pfandrecht verweist. Da es nicht unüblich ist, dass durch öffentlich-rechtliche Akte Privatrechte begründet werden (etwa durch Urteile), besteht für die Konstruktion eines der Rechtsordnung im Übrigen fremden "öffentlichen Rechtes zugunsten Privater" keine Notwendigkeit (Schuschke/Walker, vor §§ 803, 804 Rn. 11; OLG Stuttgart, Urteil v. 18.4.2017, 10 U 120/16 – Rn. 68-71 - Juris)